Manche moegen's reicher
Budgetkonsolidierung sämtliche Ausgaben unseres Betriebes einer Überprüfung zu unterziehen, um eventuell vorhandene Einsparungspotenziale zu erfassen und ohne Verzögerung auch gleich in die Tat umzusetzen.« Hey, der Satz war gut. Den muss ich mir unbedingt für mein nächstes Treffen mit Frank merken, der wird Augen machen.
Bei Samir jedoch verfehlt er seine Wirkung, denn der antwortet verwundert: »Einsparungen, bei den Räucherstäbchen? Die kosten doch nicht einmal einen Cent das Stück.«
»Einen Cent? Und wie viele hast du angemacht?« Ich lasse meinen Blick schnell durch den Raum schweifen. »Vier, fünf, oder gar sechs?«
»Es sind sechs«, bestätigt er.
»Da siehst du es.« Zur Abwechslung setze einmal ich den strengen Blick auf.
»Aber die kosten doch nicht einmal sechs Cent«, argumentiert er.
»Samir, Samir …« Ich wedle belehrend mit dem Zeigefinger vor seiner Nase herum. »Ein Konzern wie Winners only besteht aus unvorstellbar vielen Einzelkomponenten, daher ist es unerlässlich, im Rahmen einer Konsolidierungsphase sämtliche Bereiche zu erfassen.« Ich lege eine kleine Pause ein, um meine Worte nachwirken zu lassen, bevor ich weiterrede: »Ohne mich jetzt aber in Details verlieren zu wollen, läuft es schlicht und einfach darauf hinaus, dass wir entweder allgemein einsparen oder aber die Löhne unserer Mitarbeiter kürzen müssen.«
Das hat gesessen. Samir zuckt zusammen wie unter einem Peitschenhieb. Wir zahlen weit über dem Branchenschnitt, und das weiß er auch. Sein Blick beginnt für einen Augenblick hektisch zu flackern, dann meint er: »Schon okay, ich habe verstanden.« Er überlegt schnell. »Wir könnten die Räucherstäbchen auch ganz weglassen, wenn du willst«, schlägt er dann vor.
Na bitte, geht doch. Man muss nur die richtigen Knöpfe drücken.
»Das wäre vielleicht ein bisschen übertrieben«, sage ich gönnerhaft. »Ein paar davon können wir uns schon leisten, wegen der Atmosphäre, sagen wir also … drei Stück pro Sitzung?«
»Ja, okay.« Samir nickt und springt gleichzeitig hoch, um drei der glimmenden Stäbchen zwischen Daumen und Zeigefinger auszudrücken, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Nachdem er sich wieder zu mir gesetzt hat, fragt er vorsichtig: »Und damit ist das Thema Lohnkürzung vom Tisch?«
»Ja, ich denke schon«, nicke ich.
»Gott sei Dank«, meint er erleichtert. »Ich habe mir nämlich gerade einen neuen Flachbildfernseher bestellt, LED, fünfundfünfzig Zoll, High Definition. Der kostet eine Stange, weißt du?«
»Schon verstanden, Samir, mach dir deswegen keine Sorgen«, beruhige ich ihn. »Also gut, wo waren wir stehen geblieben?«
»Deine Atmung«, sagt er. »Und dann versuchen wir es mit einer abgewandelten Version von Yoga Nidra, wenn du möchtest.«
»Yoga Nidra? Klingt gut. Was ist das?«
»Es ist eine Art von Imagination, zu der ich dich mit meiner Stimme führen werde … also, tief atmen … ein … und wieder aus … ein … und wieder aus …«
Ich tue wie mir geheißen, und binnen weniger Sekunden falle ich wieder in einen angenehmen Entspannungszustand. Diesmal wartet Samir nicht lange ab, sondern textet gleich drauflos: »Und jetzt stellst du dir vor, dass du dich auf einem Schiff befindest«, sagt er. »Das Meer ist tiefblau, und die Sonne scheint vom azurblauen Himmel …«
Also, an dem Text sollte er vielleicht noch ein bisschen arbeiten. Zweimal blau so kurz hintereinander in einem Satz klingt nicht besonders professionell.
»… in der Ferne entdeckst du eine Insel, auf die du zusteuerst. Du erkennst Palmen und einen wunderbaren weißen Sandstrand …«
Das allerdings klingt verlockend.
Wobei sich natürlich auch die Frage stellt, ob ich ganz allein auf dem Schiff bin, was mir ehrlich gesagt ein bisschen Angst machen würde. Ich habe keine Ahnung, wie man so ein Ding steuert, und wie man aus diversen Horrormeldungen weiß, kann so ein Kahn bei unsachgemäßer Bedienung auch ganz schnell untergehen – wie übrigens auch unser Geschäft, schießt es mir durch den Kopf, und bei dem bin ja eigentlich ich der Kapitän. Wir befinden uns im Moment in unruhigen Gewässern, um bei Samirs Seefahrerbildnis zu bleiben, daher heißt es jetzt höllisch aufpassen und so schnell wie möglich wieder einen gewinnträchtigen Kurs ansteuern. Was bei nüchterner Betrachtung durchaus im Bereich des Möglichen liegt, ja, es kann sogar sehr schnell gehen, genau genommen innerhalb weniger Wochen.
Los Angeles.
Das ist
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