Manche moegen's reicher
Theorie entwickelt: Sobald Fiona irgendetwas in der Richtung anschneidet, schaltet mein Gehör auf Notprogramm um, als würde jemand meinen Kopf in einen überdimensionalen Wattebausch packen, und bewahrt mich so davor, die Vorstellung dieser absurden Abenteuer, in die sich eine schräge Gattung von Geistesgestörten auch noch freiwillig stürzt, in mein Bewusstsein dringen zu lassen, damit ich nicht dem Wahnsinn anheimfalle oder etwas in der Art.
Das funktioniert ganz gut, außer in Fällen wie diesen, wenn Fiona wieder einmal etwas Neues ausprobieren will und mich deshalb nicht vom Haken lässt.
»Verstehe, Molly«, nickt sie verständnisvoll. »Umso mehr kannst du jetzt eine kleine Auszeit gebrauchen, damit du den Kopf mal wieder richtig frei bekommst. Adrenalin, Molly, das ist es, was du brauchst, danach wird es dir viel besser gehen, du wirst sehen.« Sie nickt mir aufmunternd zu.
Lissy und Tessa wechseln einen verständnislosen Blick. Kein Wunder, sie kennen mich eine Ewigkeit, haben das Wort Adrenalin bisher aber noch nie mit meinem Namen in Zusammenhang gebracht.
»Molly braucht Adrenalin?«, fragt Lissy verwundert nach.
»Aber klar, vor allem, da sie in letzter Zeit nicht mehr so exzessiv trainieren kann wie vor ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin«, nickt Fiona überzeugt.
Ach ja, das hatte ich ganz vergessen. Fiona hält mich ja auch noch für eine extrem durchtrainierte Sportskanone, woran mein Exfreund Frederic die Schuld trägt, aber das ist eine lange Geschichte.
Jedenfalls nimmt das Gespräch jetzt eine ziemlich unangenehme Wendung, wogegen ich etwas unternehmen muss.
»Fiona hat vollkommen recht«, sage ich mit größtmöglicher Überzeugung in der Stimme. »Adrenalin, das ist manchmal genau das Richtige für mich.«
»Für dich ?«, fragt Tessa mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Ja, wusstet ihr das nicht?«, gebe ich möglichst lässig zurück. »Adrenalin gibt einem den Kick, das bringt die Körperzellen erst so richtig in Fahrt. Also lass hören, Fiona, um was handelt es sich diesmal?« Ich ringe mir ein Lächeln ab, um zu signalisieren, wie sehr ich mich auf dieses Abenteuer freue.
»Die meisten Menschen haben Angst vor Reptilien«, holt Fiona aus, und ich nicke interessiert. »Zum Beispiel vor Echsen, Riesenspinnen oder Schlangen, nicht wahr?«
Ich nicke wieder und fühle dabei, wie mein Lächeln gefriert.
»Und deswegen habe ich mit Rent a Reptile ein Arrangement getroffen, dass die für uns einen Käfig voller Schlangen vorbereiten, in den wir uns dann zehn Minuten lang einsperren lassen«, verkündet sie fröhlich.
Schlangen? Sagte sie gerade Schlangen?!
Plötzlich kann ich nicht mehr nicken, weil mein Körper sich in einen einzigen Krampf verwandelt hat.
Nur zur Erklärung: Mir ist grundsätzlich jedes Tier suspekt, das weder zu den Paarhufern gehört noch ein Fell trägt oder mehr als zwanzig Kilo wiegt, und von Viechern wie Reptilien und dergleichen will ich gar nicht erst reden. Die absolute Spitze auf dieser Negativskala für mich sind aber – dreimal dürfen Sie raten – Schlangen. Mit Abstand!
Vor denen hatte ich immer schon eine Riesenangst, mehr noch als vor jedem anderen Lebewesen auf diesem Planeten. Das letzte Mal, als ich mit so einem Vieh in Berührung kam, war ich dreizehn, und damals fiel ich glatt in Ohnmacht, obwohl es nur eine doofe Gummischlange war, die mir unser Klassenclown Olaf »Gelbzahn« Verluschnigg in meinen Turnbeutel gesteckt hatte.
Aber okay. Jetzt bloß keine Panik aufkommen lassen. Am besten tief durchatmen und in Ruhe nachdenken – soweit das mit einem Puls von hundertachtzig überhaupt möglich ist.
Fiona hat von Dienstag geredet, also bleibt mir noch ausreichend Zeit, um mir eine gute Ausrede einfallen zu lassen. Denn eines steht fest: Ich werde definitiv nicht zu diesen Mordsviechern in den Käfig steigen. Das würde ich ganz einfach nicht überleben.
Yoga Nidra
»Das Entscheidende bei einer Asana ist die Atmung, Molly«, belehrt Samir mich zum hundertsten Mal, »ohne Atmung können deine Chakren nicht zur Ruhe kommen. Also lass den Atem fließen …«
Samir ist unser Entspannungsguru bei Winners only. Er ist ein baumlanger, spindeldürrer Inder mit der Aura von Gandhi – abgesehen von seiner Ray-Ban-Sonnenbrille und den Nike-T-Shirts, die er immer trägt –, und ihn habe ich nach dem Wochenende gleich als Erstes aufgesucht, weil ich unbedingt ein bisschen runterkommen muss von meinem Megastress. Jetzt hocke ich im
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