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Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Titel: Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Federlein
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keinen Fehler zu machen. Ständig die Gedanken: Hab ich genug gegessen und was ist genug? Hab ich zu- oder abgenommen? Was bedrückt mich? Was muss ich ansprechen? Warum fühle ich mich traurig/wütend/glücklich/nervös usw.?
    Ich bin so kontrolliert durch den Tag, nichts passierte spontan, nichts lief entspannt. Ich musste ja pünktlich um eins Mittagessen, abends um sieben dann Abendessen und alles andere wurde darum herum aufgebaut. Dann mussten ja die Kalorien gezählt werden, damit es die richtige Menge war, also wieder nichts mit einfach essen und gut ist. Wenn ein Abendessen auf dem Plan stand, war es genauso grausam wie vorher, wie viel ist richtig, was geht und was nicht?
    Zum Glück wussten jetzt aber die meisten Bescheid, so dass ich dann, wenn die Speisekarte kam, mir Hilfe holen konnte. Mum hat mir da super geholfen. Alles wurde hinterfragt, analysiert, eigentlich war ich voll der Roboter - ich funktionierte einfach nach Vorlage. Ich selber war irgendwie nicht anwesend. Zu dem Zeitpunkt habe ich mir dann meinen Zählzwang so richtig reingezogen, bei dem ich immer wieder bis 7 gezählt habe. Denn jetzt kreisten meine Gedanken noch heftiger im Hirn rum als vorher, es gab ja so viel mehr zu beachten und einzuhalten... irgendwann schaltete ich dann auf Zählmodus um, das lief so wunderbar nebenbei und hat mich nicht so angestrengt!
     
     
    02.02. 1998
     
    Hab`s mal wieder nicht geschafft, mir was zu gönnen! Bin mit Dad aneinandergeraten, weil er meinte, ich solle mal ein bisschen mehr mithelfen. Ich hörte sofort den Vorwurf raus, dass ich ja eh nichts mache und so faul wäre... Da bin ich echt wütend geworden und hab`s sofort gegen mich gerichtet. Erst als ich mich an der Steckdose verletzt habe (wollte den Staubsauger einstecken) ist mir das klar geworden: es ging los, dass ich nicht wusste, was ich machen soll, alle anderen hatten ihre Arbeit/ Platz, nur ich war überflüssig. Dann hat Dad meine Co-Abhängigkeit ins Spiel gebracht und das nervte mich dann. Tja, als ich dann gemerkt habe, wie ich schon wieder mit mir umgehe, musste ich nur noch weinen. Dann hab ich mit Mum geredet, jetzt geht’s wieder besser. Ich kann so schlecht mit Kritik umgehen und richte Aggressionen sofort gegen mich! Als das geklärt war, konnte ich wieder essen.
     
     
    08.03. 1998
     
    War gestern auf der Waage, 46 Kilo! Freut mich und ärgert mich! Ich nehm mir ja vor, mehr zu essen, will doch endlich gesund sein... Aber irgendwie krieg ich dann nicht mehr als das absolut Nötige runter. Heute in der Stadt hat so ein Kerl mir nach gepfiffen und ich hab mich richtig gut gefühlt - aber dann hab ich mir gleich überlegt, ob er denn auch gepfiffen hätte, wenn ich mehr wiegen würde? Mittlerweile ess ich mittags nur noch Nudeln mit Tomatensoße, genau abgezählt 100 Gramm Nudeln und eine halbe Packung Soße, damit ich dann noch genug Kalorien frei habe für das Abendessen. Wann werd ich jemals normal essen???
     
     
    28.05. 1998
     
    Ständig denke ich übers Essen nach, war`s zu viel, war`s zu wenig? Irgendwie glaub ich, dass das mit der Klinik auch nicht so toll war! Und das Schlimmste, ich habe Fressdruck! Seit ich aus der Klinik raus bin, hab ich zweimal gekotzt, als mir alles zu viel geworden war. Aber jetzt krieg ich richtig Druck. Ich will einfach essen worauf ich Lust habe, dieses ständig Kontrollierte macht mich wahnsinnig! So schwanke ich zwischen nichts essen und am liebsten alles in mich reinstopfen! Und gestern war es dann soweit: Ich hatte schon zu Abend gegessen, aber ich hatte einfach noch Hunger. Da hab ich beschlossen, danach kotzen zu gehen. Also hab ich ganz genüsslich noch eine Portion gegessen und dann noch gleich eine Tafel Schokolade hinterher, mit vollem Genuss. Ich wusste ja, das geht eh wieder raus! Dann bin ich aufs Klo, hab vorher noch viel Wasser getrunken. Ich hab ja in der Klinik genug gehört über die richtige Technik, naja, und dann hab ich gekotzt! Aber das Schlimmste ist, dass es sich so gut angefühlt hat, so befreiend, ich hab mich danach so sauber gefühlt, von allem Scheiß gereinigt, emotional wie auch körperlich! Es ist so einfach!!! Essen nach Herzenslust, dann kotzen und es ist als wäre nie was passiert. Kein ekliges Völlegefühl, kein schlechtes Gewissen, dass ich jetzt zu viel in mir drin habe...
    Eigentlich sollte ich dringend darüber reden, wenigstens mit Ferdinand, meinem Therapeuten... aber bei ihm weiß ich nicht, ob er das dann nicht doch meiner Mum erzählt,

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