Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte
wie ich das finanziell eigentlich geschafft habe. Die Nebenkosten wie Telefon und Auto, vor allem aber das teuere Essen... ich kann es nicht mehr sagen, ich weiß nur, dass ich täglich 30 Euro (damals noch 60 Mark) für meine Fressanfälle ausgegeben habe. Am Wochenende wurde es noch teurer, weil ich Brötchen von der Tankstelle geholt habe. Irgendwie hatte ich mir jedes Mal vorgenommen, am Samstag so einzukaufen, dass es auch für Sonntag reichen würde, aber das hat nie geklappt. Wenn ich Essen zu Hause hatte, dann habe ich das auf meine Art vernichtet und wenn das bedeutete, dass ich einen extra Anfall bekam, aber übrig geblieben ist selten etwas.
Ich weiß noch, wie eines abends mein sehr guter Freund Uwe bei mir saß und ich ihm alles gebeichtet habe. Er wusste von meinem Klinikaufenthalt und auch, dass ich nicht wirklich über alles hinweg war. Wie schlimm es aber wirklich schon wieder mit mir gekommen war, das habe ich ihm an diesem Abend gezeigt. Ich kann mich noch genau an sein Gesicht erinnern, als er mir erst ungläubig zugehört hat und dann vor allem, als ich meine Küchenschränke aufgemacht hatte, mit den Vorräten, die ich dort versteckt hatte für das abendliche Festmahl. Ob ich das alles essen würde hat er mich gefragt, und ich sagte ja, das reicht für einen Fressanfall!
Uwe war wirklich ein guter Freund und wir haben lange geredet. Bis er mich soweit hatte, dass ich an diesem Abend bereit war, alles in Tüten zu packen und es unten in den Müll zu schmeißen. Ich dachte, ich pack das, nur für diesen einen Abend. Ich hatte da plötzlich voll Energie und wollte es nochmal versuchen. Dann weiß ich noch, wie er weg war und ich nach 10 Minuten allein mit mir tatsächlich runter zu den Mülltonnen gegangen bin, um alles wieder rauszuholen. Ich war süchtig nach Essen, süchtig nach Kotzen, was anderes gab es für mich nicht.
Wenn ich es doch mal schaffte, nach draußen zu gehen um mich im Kaffee mit Freunden zu treffen, dann ging das genau so lange gut, bis zu einer bestimmten Uhrzeit, meistens später Nachmittag Dann wurde ich unruhig und wollte nur noch nach Hause. Ich konnte so einen Anfall auch nach hinten verzögern, aber wichtig war, dass ich im Voraus wusste, dass ich dann Zeit und Gelegenheit bekam, mich meiner Sucht hinzugeben.
Wenn wir abends ins Kino sind, dann musste ich danach schnell heim, wenn ich abends was trinken war, dann eben danach. Hauptsache ich konnte meinen Fressanfall bauen. Vielleicht hab ich in dieser Zeit angefangen, so unspontan zu werden! Weil es für mich immer schwieriger wurde, einfach mal nach Lust und Laune etwas zu unternehmen. Ich musste immer genau wissen, wann und wo ich meinen Anfall machen konnte. Und am einfachsten und am entspanntesten war das eben zu Hause bei mir. Daher hab ich auch bei niemandem mehr übernachtet (Ausnahme Thomas, er war tatsächlich der Einzige, bei dem ich nicht fressen und kotzen musste, wenn er bei mir oder ich bei ihm war. Ich sag ja, Ersatzdroge!).
Ich wollte auch nicht in Urlaub fahren, da wäre es ja noch schwieriger gewesen, erst mal an Essen überhaupt zu kommen und dann auch wieder in Ruhe zu kotzen. Essen gehen war auch nicht toll, zwar war das Essen mal eine Abwechslung, aber die Menge war zu wenig, um befriedigt zu sein. Auch, um es schnell auf dem Klo des Restaurants auszukotzen. Mittlerweile war ich so sehr die großen Mengen gewohnt, dass ich so Kleinigkeiten wie einen Teller nur ganz schlecht rausbekam. Ich hatte dann auch immer im Kopf, „für so ein bisschen lohnt sich die Anstrengung gar nicht“.
Also versuchte ich eben, hinterher so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, um dann noch weiter zu fressen. Was mich aber sehr stresste, weil die Zeit eigentlich zu lange war. Ich hab mir dann immer vorgestellt, wie mein Magen schon alles verdaute und in böses Fett umwandelte. Also wie gesagt, Essen gehen war nicht so toll. Es ist heute noch so, dass ich, wenn wir essen gehen mit der Familie, extra nach dem Essen lange sitzen bleibe und wir danach noch etwas spazieren gehen, nur damit ich allen, vor allem aber meinen Eltern, die die ganze Schei... ja mitgemacht haben, zu zeigen, schaut, ich kotze nicht alles wieder raus. Ich glaube vieles von den Dingen, die ich mir zu der Zeit aus der Not heraus angewöhnt habe, brauchen noch Jahrzehnte, bis sie ganz verschwunden sind. Auch heute noch bin ich völlig unspontan, ich kriege vor jedem Essen gehen Panik, zähle Kalorien oder frage mich, wie viel mich dieses
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