Manchmal muss es eben Mord sein
Ihnen noch einmal durchgehen, in welchem Verhältnis Sie zu Herrn Windisch standen, wo Sie zu dem Zeitpunkt waren und was genau Sie gemacht haben, als er verunglückte.«
»Aber … aber das habe ich Ihnen doch schon alles erzählt.«
Alex schaute Jenny an, ohne ein Wort zu sagen. Dann öffnete sie die Aktenmappe, die sie auf den Tisch gelegt hatte, und nahm ein Blatt Papier heraus. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Jenny zu erkennen versuchte, was auf dem Blatt zu lesen war.
»Wie war das nun mit Herrn Windisch und Ihnen?«
»Er war seit ein paar Wochen mein direkter Vorgesetzter.«
Alex wurde lauter und sehr bestimmt. »Frau Lehmann, so kommen wir nicht weiter. Das war doch nicht alles, oder?«
»Wir hatten mal eine Beziehung. Aber das ist vorbei«, flüsterte Jenny.
»Aber Sie waren nicht die Einzige, nicht wahr?«
Alex sah, wie Jenny zusammenzuckte, und setzte nach. »Sie haben davon erfahren und waren rasend vor Eifersucht. Und als Sie ihn an jenem Tag vor der Tür stehen sahen, kam Ihnen der Gedanke, wie Sie es ihm heimzahlen könnten. Sie sind in den dritten Stock gelaufen und haben den Blumenkasten von der Brüstung gestoßen. So war es doch, oder nicht?«
»Nein, nein! Ich hab ihm nichts getan!« Jenny warf die Arme auf den Tisch, vergrub ihr Gesicht darin und begann zu weinen. »Ich liebe ihn doch!«
Alex musste sich vorbeugen, damit sie die Worte verstehen konnte.
»Frau Lehmann, beruhigen Sie sich«, meinte sie sanft, und als Jenny endlich das verweinte Gesicht hob, fragte sie: »Wollen Sie nicht doch etwas zu trinken?«
Jenny schüttelte den Kopf, kramte in ihrem Rucksack und zog Papiertaschentücher heraus.
»Sie wussten also von den anderen Frauen?« Alex beobachtete Jenny genau, doch die saß nur mit gesenktem Kopf da und zerpflückte ein Taschentuch.
»Also, da waren auf jeden Fall Frau Furmaster und Frau Cornelius …«
»Hören Sie auf !«, rief Jenny gequält, presste sich die Hände auf die Ohren und sprang auf.
Als wäre ein Damm gebrochen, sprudelte es aus ihr heraus. »Ich habe ihn mal mit Frau Cornelius erwischt, in seinem Büro. Ich wollte ihm ein paar Akten bringen, die er angefordert hatte. Und da hab ich sie gesehen. Sie haben sich geküsst. Ich stand da wie versteinert. Dann hat er mich bemerkt.«
Sie schloss die Augen und biss sich auf die Lippen. Ihre Stimme zitterte, als sie weitersprach.
»Er hat mich angesehen, gegrinst und die Hand unter ihren Rock geschoben. Dann bin ich davongelaufen, ich konnte es nicht ertragen.« Sie schluchzte auf.
Die junge Frau tat Alex leid. In einen Mann wie Windisch verliebt zu sein dürfte einer schweren Strafe gleichkommen.
»Wie lange waren Sie liiert?«
»Es hat vor etwa vier Monaten angefangen. Er war so lieb zu mir.«
Ein seliges Lächeln huschte über Jennys Gesicht.
»Frau Cornelius war krank, und ich musste neben meinen Aufgaben auch noch Arbeiten für ihn erledigen. Und dann brauchte Steve am Montag ganz dringend einen Bericht. Deshalb bin ich am Wochenende rein und hab ihn fertiggemacht. Steve war am Samstag auch im Büro und so dankbar, dass ich mich darum gekümmert habe. Deshalb hat er mich zum Essen eingeladen, ins Maison bleue. Es war ein schöner Abend. Er hat mich ermuntert, von mir zu erzählen. Noch nie hat mir ein Mann so interessiert zugehört. Und er war so charmant.«
»Und als Sie ihn mit seiner Assistentin gesehen haben …?«
Jennys Gesicht verdüsterte sich wieder. »Anschließend bin ich zu ihm gegangen und habe ihm gesagt, dass es aus ist zwischen uns. Aber er hat mich nur ausgelacht und gemeint, was ich dumme Gans mit meinen albernen Blumenklamotten mir einbilden würde.«
Ihre Stimme wurde sehr leise. »Ich sei ja nicht einmal eine richtige Frau wie die Schicketantz, die wenigstens wüsste, was einen Mann antörnt. Stellen Sie sich vor, mit der hat er auch was gehabt.«
Alex horchte auf. Sollte sich ihre Vermutung zum Treppensturz etwa bestätigen? Vielleicht wollte Jenny tatsächlich schon die Schicketantz aus dem Weg räumen. Oder war es doch Helene Windisch gewesen? Aber die hatte sich ziemlich ungerührt von den Liebschaften ihres Mannes gezeigt.
»Herr Windisch hatte also auch ein Verhältnis mit Ihrer Chefin?«
»Ja. Mit der Schicketantz. Und das war irgendwie das Schlimmste für mich. Sie haben sich immer im dritten Stock getroffen, und ich habe lange Zeit nichts geahnt.«
»Warum war das das Schlimmste?«, bohrte Alex nach.
Jenny zögerte. »Na, weil sie eben meine Chefin
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