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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berni Mayer
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Angesicht einer historischen Örtlichkeit.
    Es folgte ein endloser Gang mit niedriger Decke, an der ein bizarres Gewirr aus Rohren entlanglief. Nach einer Weile gelangten sie endlich ans Ende des Ganges, und der Tilmann öffnete eine Tür und sagte:
    »Achtung, die Lüftung ist schon wieder im Arsch.«
    Aus dem Proberaum heraus überritt den Mandel eine Attacke aus Männerschweiß, Rasierwasser und Moder. Es war ein großer Proberaum, mindestens fünfundvierzig Quadratmeter, und schon auf den ersten Blick konnte man sehen, dass jeder Musiker sich auf seinen Quadratmetern eine eigene kleine Siedlung errichtet hatte. Kai Bartels, der Bassist mit seinem Drei-Meter-Bassverstärker-Turm und vier Bässen in einem kreisförmigen Ständer. Lars Kretschmann mit einem Wall aus Lautsprechern und einem Regal mit mindestens zehn verschiedenen Gitarren darin.
    Aber am stärksten befestigt: Fort Schredder. Der Schredder hieß eigentlich Martin Schröder, aber da war der Spitzname schon passender, wenn man ehrlich ist. Der Schredder, glaub ich, hält den Rekord für die meisten zerfetzten Trommelfelle bei einem Konzert. Und ich meine die auf dem Schlagzeug, will aber auch die im menschlichen Ohr nicht ganz ausschließen. Rekord auf jeden Fall. Das Schlagzeug vom Schredder war eine Trutzburg aus Becken und Kesseln, eine genauere Beschreibung ginge jetzt in den Fachbereich. Hätte man nicht gewusst, dass es der Schredder war, der sich hinter diesem Wehr aus Schlaggeräten verbarg, man hätte es nicht mit Sicherheit sagen können. Alles, was man sah, waren fliegende Unterarme mit dicken Holzstöcken dran.
    Als der Mandel mit dem Tilmann in den Proberaum kam, hörten dessen Mitmusiker nicht auf zu spielen. Im Gegenteil. Der Kretschmann improvisierte an einem kreischenden Gitarrensolo herum, während der Schredder immer wieder von links nach rechts über die Kessel ging, nicht immer im passenden Moment, muss man sagen. Nur der Kai Bartels schien ungerührt einem inneren Rhythmus zu folgen, abgeschottet von den solistischen Wutanfällen seiner Kollegen.
    Der Tilmann ging zu dem Platz im Raum, der noch für seinen Mikroständer übrig blieb, und brüllte in das Mikrofon.
    »Ihr Penner!«
    Der Kai Bartels schaute ihn fragend an und hörte auf zu spielen. Der Kretschmann zog noch so lange an einer Saite, bis der Mandel dachte, sie reißt, dann hörte auch er auf und trat auf einen Fußschalter am Boden. Nur der Schredder drehte weiterhin seine Runden.
    »Schredder!«, schrie der Tilmann ins Mikrofon, und es dauerte noch ein paar Sekunden, aber dann war auch der Schredder fertig. Ein teigiges, aber rotes Gesicht tauchte über den Zinnen von Burg Schredder auf und sagte: »Mensch, der Max.«
    Weil der Schredder und der Mandel natürlich schon zusammen an irgendeiner Bar gestanden hatten. Und weil der Schredder ja im Prinzip ein saunetter Kerl ist. Selbst mit seinen mittlerweile recht schütteren blonden Haaren sah er noch aus wie ein Lausbub in Übergröße.
    »Hört mal, ihr Penner«, sagte der Tilmann. »Das ist Max Mandel, den kennt ihr ja, und der schreibt eine Reportage über uns. Für’n Stern . Eine ausführliche Reportage. Wie wir wirklich sind. Wie wir immer noch den Punk im Blut haben. The Life And Times Of DEMO . Deshalb guckt er uns beim Proben zu. Geht doch klar, oder?«
    Der Kai Bartels, ein freundlich wirkender Mann mit grauen langen Haaren und einem grauen Bart, legte seinen Bass ab und gab dem Mandel die Hand.
    »Fühl dich wie zu Hause, Max«, sagte der Kai Bartels.
    »Merci, Kai«, sagte der Mandel.
    Der Kretschmann hob kurz die Hand zum Gruß, verstellte dann irgendwas an seinem Verstärker.
    Der Mandel hatte schon so einige Proberäume in seinem Leben gesehen, aber noch nie so einen peniblen. Lediglich der wenige Platz, den der Tilmann einnahm, war in Unordnung. Mehrere halbvolle Aschenbecher standen neben ihm auf dem Boden. Der Tilmann nahm von irgendwoher eine Flasche Bier, öffnete sie mit einem Feuerzeug und zwang sie dem Mandel in die Hand.
    »Wir proben für den Geheimgig im Kunstpalast. Erster Auftritt seit drei Jahren. Wir haben die neuen Songs ja im Studio geschrieben. Müssen uns die selbst erst beibringen. Wir sind voll raus aus der ganzen Live-Scheiße«, lachte der Tilmann und prostete dem Mandel mit einer eigenen Bierflasche zu.
    »Wir spielen ›Petroleum‹«, sagte der Tilmann zu den anderen.
    »Das spielen wir nicht live«, sagte der Kai Bartels.
    »Das ist doch noch gar nicht entschieden«, sagte der

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