Mandels Buero
heiratet doch alle mit spätestens vierunddreißig? Und da hatte der Mandel natürlich zuschlagen beziehungsweise zufragen müssen beim Thema Heirat. Und dann aber auch direkt, und fast ein bisschen penetrant.
»Wie läuft’s denn in deiner Ehe? Ich frag nur, weil gestern im Sägewerk … «
Hätte ich so was gefragt, ich hätte mir vermutlich eine gefangen, oder der Tilmann wäre wortlos aus dem Italiener hinausspaziert, aber aus dem Mund vom Mandel eine ganz normale Frage von der Tonalität her. So wie: Glaubst du, dass es am Wochenende nochmal hagelt?
Und genauso eine normale Antwort bekam der Mandel.
»Ach, eigentlich alles Friede, Freude, Eierkuchen. Die Veroni macht ihr Ding, und ich mach meins. Das läuft schon.«
»Hmm«, machte der Mandel und überlegte kurz.
»Kinder?«, fragte der Mandel dann.
»Haben wir’s jetzt nicht so eilig«, sagte der Tilmann und lächelte schmal.
»Ah ja«, sagte der Mandel.
»Il conto, per favore«, sagte der Tilmann, aber zum Kellner.
»Max, my friend. Ich muss jetzt ein paar Tage weg, aber am Samstag, wie du weißt, ist das Geheimkonzert im kleinen Saal vom Kunstpalast. Ruf mich nachmittags an, dann hol ich dich hinten rein. Kannst dir alles anschauen hinter den Kulissen. Und ich bring dir auch was mit.«
Der Tilmann zwinkerte dem Mandel zu, was selbst der Mandel etwas befremdlich fand. Der Kellner brachte die Rechnung mit, und der Tilmann zahlte bar. Hundertfünfzig Euro legte er in das Ledermäppchen, und der Mandel fragte sich, wie teuer der Wein gewesen sein musste bei so einer horrenden Gesamtsumme, weil die Antipasti für zwei Personen und zweimal Nudeln und zweimal die Nachspeise, das konnte ja so teuer nicht gewesen sein.
»Wo fährst du denn hin?«, fragte der Mandel.
»Ach, nur kurz an die Ostsee. Mal durchatmen«, sagte der Tilmann, und der Mandel fragte leider nicht: »Allein?«, weil das hätte mich jetzt interessiert wegen unserem Fall.
Am nächsten Morgen saß der Mandel schon wieder beim Urbaniak im Büro, weil der hatte ihn früh angerufen. Ohne vorher ans Nordufer zu kommen oder mich wenigstens am Telefon zu fragen, wie denn die Einführungsveranstaltung gewesen war, war der Mandel zum Urbaniak gefahren.
»Ich hab eine Bitte an dich, Max, aber was ich dir jetzt sag, ist strictly business . Das muss unbedingt unter uns bleiben.«
»Schieß los«, sagte der Mandel.
»Der Leo wird nach dieser Tour bei DEMO aussteigen und ein Soloalbum herausbringen.«
Der Urbaniak machte eine Kunstpause, die vermutlich der nachhaltigen Beeindruckung vom Mandel dienen sollte.
»Ah«, machte der Mandel.
»Das ist die absolute bombshell , wenn das vorzeitig rauskommt, Max. Und es zieht auch erheblichen rechtlichen Ärger mit dem Rest der Band nach sich. Kai Bartels ist ohnehin nicht so gut auf Leo zu sprechen.«
»Aha, warum?«
»Weil die beiden schon seit Jahren wegen dem Songwriting streiten. Dem Leo ist die Musik von Kai viel zu altbacken, und Kai findet die Texte vom Leo völlig überdreht. Aber das Soloalbum vom Leo wird das beste Album, das DEMO nie gemacht haben. Fucking good stuff , Max. Als Produzent haben wir uns O’Bailey gekauft, der wegen uns ein Aerosmith-Album nach hinten verschiebt. Musik kommt unter anderem von Fabian Meier, und eine Menge Gastauftritte verhandeln wir demnächst. Da sind ganz große Leute dabei, und ich hab Leo schon ein paar todsichere Hits auf den Leib schneidern lassen. Er muss nur noch die Texte dazu schreiben.«
»Die darf er noch selber schreiben«, entfuhr es dem Mandel, und der Sarkasmus tat ihm augenblicklich leid, weil unprofessionell.
Der Urbaniak sagte danach nichts mehr, wahrscheinlich aber, weil er dachte, seine bombshell müsste beim Mandel erstmal richtig einschlagen. Er schaute den Mandel prüfend an. Der Mandel sagte auch eine Weile nichts, wodurch ihm der Baulärm von draußen, wo jemand ein Hotel am Ufer baute, viel lauter als vorher vorkam. Für andere wäre so ein ratloses Geschweige vielleicht eine unangenehme Angelegenheit gewesen, der Mandel hingegen schien solche Momente zu genießen. Der Urbaniak zog in der Nase den Rotz hoch und sagte immer noch nichts.
»Was war denn jetzt deine Bitte an mich?«, fragte der Mandel, weil er nicht wollte, dass der Urbaniak noch mehr Dinge mit seinem Rotz anstellte.
»Das wird so fett, das Album, das können wir nicht in den Sand setzen. Der Leo ist im Moment leider Gottes ein bisschen on the edge . Ständig unterwegs, von einem Club zum anderen, von einer line
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