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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berni Mayer
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Tilmann lachte unkontrolliert. Offensichtlich ließ er sich die Erinnerung noch einmal auf der Zunge zergehen.
    »Und Leo lässt den Uli am Boden liegen und nimmt sich das Mikro. Rotzt irgendwas rein, Gesang konnte man das nicht nennen. Die Leute sind begeistert. Dann fragt er uns übers Mikro – mitten im Song – , ob wir ›God Save The Queen‹ spielen können. Klar können wir, die drei Akkorde … «
    »Ja, ja, heute sind sie nicht mehr so spontan, die alten Herren«, sagte der Tilmann.
    »Da war dann Riesenbegeisterung bei den Leuten auf der Bierparty. Und in den ersten Wochen haben wir Leo und Uli noch zu zweit singen lassen, aber zwei Sänger ist natürlich Unfug.«
    »Und der Uli war eine Riesenpfeife. Den hat seine Schwester immer zur Schule fahren müssen, weil er dreimal durch die Motorradführerscheinprüfung gefallen ist. Aber einen auf Jim Morrison machen mit seiner albernen Wildlederjacke. Heute ist er Biolehrer«, sagte der Tilmann, als wäre das der schäbigste Beruf der Welt.
    »Besser als Fahrlehrer«, sagte der Mandel, weil der Mandel ein Fahrschultrauma hatte. Aber das tut jetzt hier nichts zur Sache. Noch nicht.
    Als die Band und der Mandel das Café verließen, war es gelb draußen. Kein Mensch wusste, warum, aber es war gelb und ziemlich windig. Ich hab so was mal in München vor ein paar Jahren erlebt, da war irgendwo Tausende Kilometer entfernt ein Sandsturm gewesen, vielleicht in Afrika. Der Sand war durch den Sturm in höchste Sphären aufgestiegen und vom Klima über den Ozean bis nach München getragen worden. Wir sind in der Früh nach einem Riesenrausch aufgestanden, weil wir zum Flughafen mussten, und wir dachten, jetzt sind wir endgültig hängengeblieben auf dem Schnaps. Das war’s mit der Optik, ab jetzt haben wir einen Gelbstich. Aber es war der Sandsturm in Afrika, das stand schon am selben Tag in der Zeitung.
    Aber mit Sandsturm war es vielleicht eher nicht zu erklären, weil es gleich darauf anfing zu hageln. Und zwar wie bei einem Weltuntergang. Wie ein endloser Trommelwirbel vom Schredder, als das Körnerinferno auf den Chamissoplatz niederging. Der Kai Bartels und der Kretschmann flüchteten in ihre Autos, die sie vor dem Café geparkt hatten. Der Schredder, der Tilmann und der Mandel suchten in einem Hauseingang Schutz. Der Hagel hämmerte auf die Autodächer, sieben Minuten lang, dann war der Spuk vorbei, und es war totenstill. Es wehte immer noch der warme Wind vom Nachmittag, und der Himmel riss langsam wieder auf, das Gelbe wich dem Dunkelblau des Abends. Die Straße war voller Eiskörner. Aber sonst, als wär nix gewesen.
    »Das ist ein gutes Zeichen«, sagte der Tilmann, aber der Mandel wusste nicht, was er damit meinte.

Sechs

    Am Abend saßen der Tilmann und der Mandel bei einem Italiener im Süden der Stadt. Der Mandel zerteilte eine gegrillte Aubergine mit der Gabel auf seinem Teller, während der Tilmann sich mit der Hand von dem Antipasti-Teller in der Mitte des Tisches bediente.
    »Wie läuft’s denn privat so?«, fragte der Mandel.
    Der Tilmann hörte vielleicht grade nicht hin und winkte den Kellner herbei. Er bestellte eine neue Flasche Wein.
    Der Mandel fragte vorerst nicht noch einmal nach dem Privatleben. Wenn der Mandel eine der klassischen Journalisten-Tugenden nicht beherrschte und auch nicht beherrschen wollte, dann war es das penetrante Nachfragen. Wenn jemand nichts sagen wollte, dann wollte er halt nichts sagen, dachte sich der Mandel. Wenn man es aber trotzdem unbedingt wissen will, fragt man halt später nochmal nach, und wenn er dann immer noch nichts sagt, dann eben Pech gehabt. Weil Penetranz lief unter uncool beim Mandel. Er mochte keine penetranten Menschen, die versetzten ihn in unnötige Aufregung, und da war es nur logisch, dass er auch selbst nicht penetrant war. Wie sich diese Verweigerungshaltung gegenüber Penetranz jetzt in einem Ermittlerberuf auswirkte, das würde sich zeigen. Nun aber wartete der Mandel über eine halbe Stunde, bis er seine Frage nach dem Privaten noch einmal stellte. Und zwar diesmal nicht so ins Blaue hinein, sondern als Konter auf eine Ausfragerei vom Tilmann. Der Tilmann hatte nämlich ganz entgegen seiner Gewohnheiten Interesse an der Vita seines Gegenübers bekundet und dem Mandel regelrecht ein Loch in den Bauch gefragt. Woher kommst du genau? Warum bist du in diese Stadt gezogen? Warum bist du Journalist geworden? Warum bist du noch nicht verheiratet in deinem Alter, weil ihr aus dem Süden, ihr

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