Mandels Buero
moralgebunden sein, wenn ich das Konzept richtig verstanden habe«, sagte ich.
»Das nächste Mal komm ich übrigens mit, wenn du dich mit der Malleck triffst«, sagte der Mandel, und er klang todernst.
Elf
Der Wunsch vom Mandel erübrigte sich zunächst, weil die Malleck sich am nächsten Tag mit uns traf. In unserem Büro. Das war zwar nicht mehr derselbe Paukenschlag, nicht mehr der kraftvolle Wetterumschwung wie beim ersten Mal, als sie uns am Nordufer einen Besuch abstattete, aber reichte noch, um uns eine Stunde vorher in helle Aufregung zu versetzen. Und den Mandel in einen Aufräumwahn. In einem Büro, wo eigentlich nichts mehr herumlag, noch nicht einmal mehr ein Kugelschreiber, setzte sich die Malleck auf meinen Stuhl, den der Mandel ihr anbot. Sie trug einen schwarzen, kürzeren Rock und eine schwarze Bluse. Die große Sonnenbrille hatte sie schon abgenommen, aber eine graue Baskenmütze behielt sie auf. Trotzdem sah man, dass sie nicht mehr blond, sondern brünett war.
»Was ist denn mit deinen Haaren?«, fragte ich.
Die Malleck sah nicht mich, sondern den Mandel an und sagte: »Wegen der Eva Braun.«
Der Mandel sah sie fragend an.
»Der Film, Mandel. Der Eva-Braun-Film«, sagte ich vorwurfsvoll wegen der Begriffsstutzigkeit.
»Ah«, machte der Mandel. »Der Eva-Braun-Film.«
»Seid ihr schon weitergekommen mit dem Rechner vom Leo?«, fragte die Malleck.
»Nein, leider nicht, es fehlt immer noch das Passwort. Wir wollten dir ja die Gelegenheit geben, ein paar Sachen einzugeben und zu schauen, ob es passt. Das Passwort«, schob der Mandel erklärend hinterher.
»Wenn nicht, holen wir den Sascha, das ist ein sehr talentierter Hacker aus dem Umland«, sagte ich.
»Er ist eigentlich Programmierer«, stellte der Mandel richtig, und die Malleck lächelte sanft.
»Habt ihr sonst was gefunden im Studio?«, fragte sie.
»Nur altes Zeug, viele Live-Mitschnitte, Demos von schon veröffentlichten Songs. Nichts Neues«, sagte der Mandel.
»Vielleicht gibt es nichts Neues«, sagte die Malleck.
»Wer weiß«, sagte der Mandel.
Die Passwörter von der Malleck nutzten alle nichts. Sie hat sie uns ja nicht verraten, aber ein paar schnappte ich auf, weil ich von der Tastatur ablesen konnte. Mein Favorit war »Schniefhase75«. Wir mussten den Rechner wohl doch dem Sascha zum Hacken geben, was wir natürlich dem Urbaniak auf die Spesenrechnung setzen würden. Weil der Sascha auch nicht billig war. Die Malleck war nach dem kurzen Aufenthalt bei uns im Büro wieder nach Hause gefahren. Weniger denn je merkte man ihr an, dass da etwas mit mir im Busch war. Als würde sie besonderen Wert darauf legen, dass der Mandel nichts davon ahnte. Vielleicht, damit er auch weiter Wachs in ihren Händen blieb. Wie ich, wie der Edelstein, wie der Deininger, wie ganz Deutschland.
»Ich trau diesem Edelstein nicht über den Weg. Der verfolgt doch eine ganz eigene Agenda«, sagte ich zum Mandel.
Ich weiß nicht, ob der Mandel geantwortet hätte, denn jetzt vibrierte sein Mobiltelefon, und er ging ran. Er selbst, ganz ohne Voice Control. Mit diversen »Aha’s« und »Ach so’s« bestritt er das Gespräch und beendete es mit einem resignierten »Na gut, dann hol ich dich ab« . Ein namenloser Schrecken verharrte für ein paar Sekunden auf seinem Gesicht.
»Was ist los? Wer war’s denn?«, fragte ich.
»Der Dieter. Der ist jetzt gleich in der Stadt.«
»Ui«, sagte ich.
Dazu muss man wissen, dass der Bruder vom Mandel im Grunde kein schlechter Mensch war. Aber Fahrlehrer. Und wie Fahrlehrer eben so sind, wollte er jedes Mal, wenn er in der Stadt war, Weiber aufreißen gehen und eine Weiße mit Schuss trinken und noch einen Futschi oder fünf hinterher. Und man kann sich ja denken, dass der Nightlife-Geschmack vom Dieter Mandel nicht unbedingt dem vom Maximilian Mandel entsprach. Vom Musikgeschmack will ich gar nicht erst reden. Es schlugen zwei Herzen in der Brust vom Mandel: Zum einen schämte er sich immer ein bisschen für seinen zwei Jahre älteren Bruder, und das nicht nur, weil der Fahrlehrer von Beruf war und der Mandel ein Fahrschultrauma hatte. Der Dieter ist ganz sicher nicht blöd oder ein ausgemachter Prolet, aber eine einzige Geschmacksverirrung in allem, was er tut. Und seine Verirrungen sind treffsicher. Das fängt bei seiner Vorliebe für seichten Frauenpop an, geht über sein Faible für braune Wildlederschuhe und endet bei regelrechten Inneneinrichtungs-Apokalypsen. Jeder, der schon mal beim Dieter war,
Weitere Kostenlose Bücher