Mandels Buero
wird das bestätigen können. Und egal, was man den Dieter gefragt hat, was ist dein Lieblingsfilm oder wer ist dein Lieblingsautor, die Antwort war immer dem Frager unangenehm und nie dem Dieter. Aber in dem völlig verqueren Stilbewusstsein lag natürlich auch ein gewisser Sympathiewert vom Dieter. Zum anderen hatte er, der Mandel, seinen Bruder natürlich auch furchtbar lieb. Die beiden hatten ja früh ihre Mutter verloren, und mit dem alten Mandelvater war noch nie gut Kirschen essen gewesen.
Der Dieter Mandel war – wie gesagt – Fahrlehrer von Beruf, und wenn man auf dem Dorf die einzige Fahrschule im Umkreis von zwanzig Kilometern besitzt, dann ist man am Drücker, dann hat man das Monopol, dann kann man jederzeit auch mal ein paar Tage in die große Stadt fahren, weil ohne den Fahrlehrer lernt keiner Autofahren. Der Dieter war ein großer Stadtfan, seit er den Mandel vor sechs Jahren das erste Mal im hohen Norden besucht hatte. Anlässlich des Pokalendspiels war das gewesen. Mittlerweile reiste er dreimal im Jahr an, nahezu unangekündigt, nahm stets dasselbe Hotelzimmer in der Nähe vom Alexanderplatz und bestand auf unserer Anwesenheit an mindestens einem Abend. Und zwar auf unsere hochprozentige Anwesenheit. Was er tagsüber ohne uns unternahm, weiß man nicht so recht. Museumstyp war er keiner, höchstens mal 3-D-Kino. Ich vermutete ja, dass der Dieter insgeheim die Nutten von der Oranienburger für sein Unterhaltungsprogramm anheuerte, aber darüber konnte man mit dem Mandel nicht reden. Sein Sexualleben war tabu und das von seinem Bruder noch tausendmal tabuer. Lange Rede, kurzer Sinn: Heute war also unverhofft und wieder mal »die lange Nacht des Fahrlehrers«, wie der Mandel das mittlerweile nannte.
Der Abend mit dem Dieter fing beim Touristeninder an, wie immer. Der Dieter trug ein Hemd, das man mit viel Wohlwollen als Hawaiihemd hätte durchgehen lassen können. Mit sehr viel Wohlwollen. Eine arg hellblaue Jeans dazu und ziemlich teure braune Lederschuhe mit einer albernen Bestickung an den Seiten. Mit den Schuhen war der Dieter wie der Mandel mit den Uhren.
»Und? Was ist bei euch so los in der Rock’n’Roll-Szene?«, fragte der Dieter.
»Wir haben ja praktisch die Branche … «, fing ich an, aber der Mandel unterbrach mich.
»Wir haben uns jetzt endlich selbstständig gemacht mit einem eigenen … «
»Detektivbüro«, sagte ich, und der Mandel seufzte, weil er sicher nur »Büro« hatte sagen wollen.
»Detektivbüro? Das versteh ich nicht. Den Witz hab ich nicht kapiert, glaube ich. Ist das ein Scherz unter Reportern?«
Der Dieter verwendete den Begriff Reporter statt Journalist.
Der Mandel sagte: »Merci, Sigi. Vielen Dank.«
»Klärt mich bitteschön mal jemand auf?«, bat der Dieter.
Und der Mandel erzählte in einem widerwilligen Unterton unsere Geschäftsidee.
»Ja, leck mich am Abend. Dann seid ihr jetzt Schnüffler. Gibt’s doch nicht.«
Der Dieter schlug vor Begeisterung auf den Tisch, mit so einer Energie, dass er sein Chicken Tikka fast vom Teller katapultiert hätte. »Schnüffler« ist natürlich eine großartige Vokabel, wie sie nur der Dieter kann.
»Aber das Beste kommt ja noch«, sagte ich.
Keine weitere Gabel von dem Chicken Tikka konnte der Dieter anrühren, bevor ich nicht aufgehört hatte zu erzählen, von der Malleck, unserem Auftrag und der Zerstückelung vom Leo Tilmann.
»Ihr seid ja zwei verrückte Hunde«, sagte der Dieter.
»Und jetzt seid ihr dauernd mit der Vroni Malleck unterwegs? Mensch, das ist ja so eine Zuckerschnecke. Mit der würd ich auch gern zusammenarbeiten.«
Der Dieter betonte das »zusammenarbeiten« und zwinkerte dabei seinem Bruder zu. Dann lehnte er sich zurück und zupfte an seinem Kinnbart, den er erst letztes Jahr seinem Schnauzbart hinzugefügt hatte. Man merkte, dass er stolz war. Auf den Bruder, nicht den Bart. Aber vielleicht auf beides.
»Und sag einmal, Max, bist du jetzt nicht auch ein Hauptverdächtiger, wo du doch die Leiche gefunden hast? Das ist doch immer so im Tatort , dass der Leichenfinder keineswegs aus dem Schneider ist.«
»Ach komm, Dietz, so ein Schmarrn«, sagte der Mandel entrüstet.
»Er hat ein Alibi«, erklärte ich dem Dieter.
»Ach so, dann«, sagte der Dieter fast ein wenig enttäuscht.
»Und jetzt?«, fragte ich.
»Jetzt trinken wir einen Schnaps«, sagte der Dieter.
»Wisst ihr was? Heute gehen wir mal dahin, wo ihr sonst immer hingeht. Da, wo die jungen Schauspielerinnen hingehen. Oder
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