Mandels Buero
Seltenheit, dass sein Bruder Recht hat.
»Da ist die letzte Mail von der Adriana«, sagte der Dieter und reichte seinem Bruder das Notebook.
»Hier, ich hab dich schon als Leo Tilmann eingeloggt«, sagte er.
»Was schreibst du denn jetzt?«, fragte ich, während der Mandel schon angefangen hatte zu tippen.
Liebe L.,
mein Name ist Max Mandel, ich bin Journalist und von Leo Tilmanns Frau Veronika Malleck beauftragt, alle Aufnahmen aus seinem Nachlass sicherzustellen und zu evaluieren, bevor die Plattenfirma ihren Profit daraus schlägt. Deinen Kontakt habe ich aus dem mir von Frau Malleck anvertrauten Computer von Leo Tilmann ermittelt. Ich bitte dringend um ein Gespräch oder eine Korrespondenz per E-Mail. Deine Anonymität würden wir selbstverständlich wahren.
Mit den besten Grüßen,
Max Mandel
»Evaluieren. Schön gesagt«, sagte ich zum Mandel.
Es kommt auch heute nicht oft vor, dass der Mandel und ich uns längere Zeit am Stück gemeinsam in unserem Büro am Nordufer aufhalten. Ich bin gerne hier, manchmal auch den ganzen Tag, weil es mir zu Hause zu ruhig ist. Ich telefoniere durch die Gegend, ich schaue Filme auf dem Computer und schreibe E-Mails. Selbst am Wochenende bin ich oft am Nordufer. Manchmal gehe ich vor die Tür, schaue auf das gegenüberliegende Ufer und rauche eine Zigarette. Man kann die Uhr danach stellen, bis der Hausmeister kommt und sich aus der Nähe anschaut, ob ich die Zigarette auf dem Bürgersteig oder in dem kleinen Vorgarten ausmache.
Nachdem er die E-Mail an Adriana abgeschickt hatte, saß der Mandel mit mir im Büro, mehrere Stunden lang. Der Dieter war mittlerweile gegangen, um seine Sachen aus dem Hotel zu holen und endgültig zum Mandel zu ziehen. Er hatte beschlossen, noch eine Woche in der Stadt dranzuhängen. Der Mandel war so mit seinen Angelegenheiten beschäftigt gewesen, dass er vergessen hatte zu widersprechen. Es war angenehm, den Mandel um mich zu haben, ein Gespräch war nicht notwendig. Er stellte sich mit mir ans Nordufer und rauchte. Der Hausmeister war natürlich freundlich, wenn der Mandel dabei war.
»Na, Herr Hauptkommissar, wen hamse heute schon hops jenommen?«
»Heute Vormittag zwei Hausmeister«, sagte der Mandel, und der Hausmeister lachte hektisch.
»Janz wie Ihr Onkel. Denselben Humor hamse«, sagte der Hausmeister.
Es war fast ein bisschen wie früher beim Express , nur ohne die ganzen Idioten. Der Mandel und ich beim Rauchen. Der Mandel und ich gegenüber im Büro. Und das Wetter war wieder gut. Die Regengüsse des Vorabends hatten kaum Spuren hinterlassen. Es war ein sonniger Tag Anfang April mit leichtem Ostwind, der ein kleines Sommerversprechen mit sich herumwehte. Es roch schon ein bisschen nach der Hitze, die uns ab Juni überfallen würde. Und ein wenig nach Salzwasser, bildete ich mir ein. Kein Hauch von Winter mehr in der Luft. Und wenn ich ehrlich bin, hatte ich auch noch das Parfüm von der Malleck in der Nase.
Während wir zwischen den immer grüner werdenden Bäumen am Nordufer standen, auf die Industrietürme auf der anderen Uferseite starrten und wortlos rauchten, parkte ein 7er- BMW ziemlich agil in eine Parklücke vor unserem Büro ein. Der Mandel wusste natürlich genau, was das für ein 7er- BMW war. Sein Blick wanderte zur Stoßstange, obwohl man von oben natürlich nicht sehen konnte, ob der Peilsender noch unten dran war. Die Frage wurde aber zügig beantwortet, als der Edelstein statt der Hand zur Begrüßung die Hand mit dem Peilsender ausstreckte.
»Eurer?«, fragte der Edelstein.
»Zeig mal her«, sagte der Mandel und nahm den Sender entgegen.
»Glaub schon«, sagte der Mandel, und ich dachte, jetzt spinnt er. Der Mandel schaltete den Sender ein und schien beruhigt, weil der Akku doch nicht leer war. Ich bin mir nicht sicher, warum der Mandel sofort zugegeben hat, dass es unser Sender war, vielleicht weil er ihn zurückwollte. Vielleicht verfolgte er auch eine gewisse Strategie mit dem Edelstein, das konnte man beim Mandel nicht wissen. Und wie kam der Edelstein eigentlich darauf, dass der Peilsender uns gehörte?
»Wär ja blöd, wenn ich in die Waschanlage gefahren wäre, und das Ding geht kaputt«, sagte der Edelstein, und er sah wenig amüsiert aus, der Schnösel, der kahlköpfige.
»Der ist wasserfest«, sagte der Mandel.
Der Edelstein schaute den Mandel auffordernd an, und der Mandel seufzte und wies ihm den Weg in unser Büro. Und so setzte sich der Edelstein in unserem Büro auf meinen Stuhl und
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