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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berni Mayer
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trug mein schwarzes Slayer-Longsleeve, und die Zimmertür war abgeschlossen. Dann setzte ich den Plattenarm während des Intros auf und drehte mit dem Finger langsam das schwarze Vinyl verkehrt herum. Als sich aus dem ohnehin schon bedrohlichen Intro zum Titelsong dann plötzlich eine dämonische Botschaft schälte, fühlte ich mich, als hätte ich tatsächlich das Tor zur Hölle aufgestoßen. Vorwärts abgespielt klang es, als ob ein Geisterchor aus tiefen Stimmen »Sign Your Heart« flüstert, was ich schon furchteinflößend genug fand, auch wenn ich es nicht ganz verstand. Rückwärts abgespielt sagten die Stimmen eindeutig »Join Us«. Ich hatte für einen Augenblick das Gefühl, einer satanistischen Weltverschwörung auf die Schliche gekommen zu sein, und hätte mich am liebsten unter dem Bett verkrochen. Der Rest des Songs war auch nicht grade erbauend, er wirkte wie ein mörderischer Wutanfall auf mich. Ich habe mich damals auch vor der Band an sich geängstigt: Tom Araya, der wolfsartige Sänger und Bassist, Kerry King mit seinem rostigen Riesennietenarmband, Jeff Hanneman, das blonde Fallbeil des Heavy Metal mit seinen SS -Runen, und der fast eingeboren trommelnde Dave Lombardo als der einzig einigermaßen menschlich Wirkende.
    Der Grusel ist natürlich nach ein paar Jahren von der Platte abgefallen, aber geblieben ist der Respekt vor der Gemeinheit ihrer Kompositionen und wie fertig mit dieser Platte eigentlich schon das gesamte Konzept der Band war, das über die nächsten neun Studioalben stabil bleiben würde. Und wie sehr diese Platte auch den eigentlichen Klassiker Reign In Blood vorwegnahm, den ich aufgrund meiner intensiven Studie der Hell Awaits natürlich als nicht ganz so revolutionär einstufte, wie das viele Musikkritiker taten. Mein Lieblingslied auf der Hell war neben »Hell Awaits« immer »Necrophiliac« gewesen, wegen dem Midtempo und dem Hauch einer Melodie bei meiner Lieblingstextzeile »Down to the fiery pits of hell«. Auch ansonsten ein guter Text, wenn man von dem eher ekligen Grundthema Nekrophilie absieht. Eat this, Tilmann.
    Mortuaries, dead of night
    My body starts to rise
    In my mind the horror lives
    To feel death deep inside
    Mit »Crypts Of Eternity« legt Tom Araya übrigens fast noch mal den identischen Refrain drauf, was das Einzige ist, was mich an der Hell stört. Zweimal habe ich an diesem frühen Abend die Hell Awaits im Büro durchgehört, bevor ich das Licht gelöscht habe und zur U-Bahn gegangen bin. Zu Hause habe ich versucht, auf der Gitarre »Necrophiliac« nachzuspielen, aber es ist einfach zu schnell für mich.

Sechzehn

    Das Schöne, wenn du Freiberufler bist, ist, dass du dich nicht an die konventionelle Zeiteinteilung der anderen halten musst. Der Mandel war ja schon immer ein Freigeist in Sachen Arbeitszeiten gewesen, aber ich saß jeden Tag meine acht Stunden im Büro ab und hab mich geärgert, dass vor der Arbeit der Elektromarkt noch zu war und nach der Arbeit dann die Drogerie. Mit der neu gewonnenen Freiheit eines flexiblen Tagesablaufs konnte ich aber auch noch nicht umgehen. Ich hatte immer das Gefühl, um spätestens zehn am Nordufer sein zu müssen. Der Mandel hingegen war da, wie gesagt, immer schon etwas laissez-faire gewesen, aber seit der Freiberuflichkeit kam und ging er endgültig zu den vogelwildesten Zeiten. Ich komm nur gerade drauf, weil es ein Montagnachmittag war, an dem wir einfach so aus der Stadt raus an den Scharmützelsee gefahren sind, genauer gesagt nach Diensdorf-Radlow. Und ich noch gedacht habe, schönes Wetter, wir fahren an den See, und das an einem Montagnachmittag, wo die ersten an der neuen Arbeitswoche verzweifeln und ihre Selbstmordversuche für das Wochenende planen.
    Der Mandel steuerte den gelben A8 von seinem Bruder über die Landstraße und hörte schon das zweite alte Bob-Dylan-Album hintereinander. Die Blood On The Tracks zuerst und jetzt die Slow Train Coming . Nichts gegen Bob Dylan als Typ, aber nach einer Platte nervt mich das Genöle. Der Mandel hingegen schien ganz in die Musik versunken. Ich drehte das Autoradio leiser.
    »Sigi, ich hör das grade.«
    »Und ich kann so nicht denken.«
    »Was musst du denn jetzt auch denken?«
    »Was in dem Edelstein vorgeht.«
    »Was soll denn in dem vorgehen?«
    »Dass er uns auf sein Segelboot einlädt.«
    »Keine Ahnung, vielleicht will er nicht im Mittelpunkt unserer Ermittlungen stehen und sich irgendwie aus der Affäre ziehen. Mit einer Geste.«
    »Aber dass er dann

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