Mandels Buero
ausgerechnet auch mich einlädt, wo er sich doch denken kann, dass ich ihm am liebsten seine Schnöselfresse in den Scharmützelsee halten will, bis die Sonne untergeht.«
»Er hat ja auch nur mich eingeladen«, sagte der Mandel, ohne eine Miene zu verziehen.
»Wie bitte?«, fragte ich nach.
»Aber wir sind doch ein Team«, sagte der Mandel und lächelte verträumt. Dann drehte er den Bob Dylan wieder auf laut.
Diensdorf-Radlow ist eine dieser typischen Ortschaften, die über eine höchst pittoreske Lage am Wasser verfügen, das aber vollkommen unverdient. Mit unverdient meine ich: Das sind Ortschaften ohne einen Funken Kultur. Man könnte ja meinen, dass so eine Seelage den Geist und die Sinne beflügelt, dass die Leute veranstalten und kreieren, weil sie die schöne Gegend so inspiriert. Oder zumindest ein vernünftiges Restaurant eröffnen, ein akzeptables Frühstückscafé oder eine gute Bar. Stattdessen: ein spießiger kleiner Hafen, den ein Investor aus der Stadt dann »Yacht-Akademie« nennt. Mit ein paar privaten Segelbooten und ein paar dieser lahmen Motorboote, für die man keinen Führerschein braucht, weil sie langsamer fahren, als der Mandel joggt. Das war das Einzige, was diese Ortschaften als Seeorte auszeichnete. Für mich war ein Seeort so etwas wie Torri del Benaco am Gardasee oder von mir aus noch Walchensee am Walchensee mit seinen alten Bauernhäusern. Das waren die Seeorte, die ich mit meinen Eltern jedes Jahr bereist habe. Ortschaften mit einem Flair. Ehrlich gesagt habe ich mich ein bisschen erschrocken, als ich das erste Mal hier oben in einer Seeortschaft war, wie wenig positiv so eine schöne Angelegenheit wie ein See das Ortsbild beeinflussen kann. Dennoch zieht es immer mehr von diesen wehleidigen Großstädtern, die ab fünfunddreißig plötzlich das Bedürfnis nach Natur verspüren, an die Seen. Die wirklich Geldigen natürlich nicht, die kaufen sich lieber ein Haus am Gardasee, aber so ein paar Ärzte, Juristen und zweitklassige Schauspieler verschlägt es in Orte wie Diensdorf-Radlow. Dort renovieren sie dann verweste Datschen von verstorbenen SED -Funktionären, von denen sich manche zwar ein Rustikalwohnzimmer mit Bärenfell und Kachelofen geleistet, aber dafür statt eines Badezimmers nur ein einziges Scheißhaus eingebaut haben. Keine Dusche, keine Badewanne, das muss man sich vorstellen.
Kann sein, dass ich laut gedacht hatte, denn der Mandel sagte plötzlich: »Lass sie doch machen. Bevor das hier alles verrottet.«
»Das soll ruhig verrotten mitsamt seinem Regime-Mief«, sagte ich und war mir in dem Moment selbst ein bisschen unsympathisch.
Der Mandel hatte sein neues Telefon zu einem Navigationsgerät umfunktioniert und schien sich auf jede neue Ansage der weiblichen Stimme zu freuen.
»Bitte wenden«, sagte die Stimme, und der Mandel wendete.
»In zweihundert Metern bitte wenden«, sagte die Stimme, nachdem der Mandel gewendet hatte.
»So ein Schrott«, sagte ich.
»Das wird schon so stimmen«, sagte der Mandel und wendete erneut.
Die Yacht-Akademie war natürlich nur ein kleiner weißer Flachbau mit einem Shop für sündhaft teure Poloshirts und Windjacken und einer kleinen Rezeption für den Bootsverleih. Neben der Rezeption befand sich eine Art Wartecouch. Von der stand der Edelstein auf, als wir eintraten, und reichte dem Mandel freundschaftlich die Hand. Mich sah er von oben bis unten an und sagte dann: »Hallo.«
»Ist kein Problem, dass der Sigi mit dabei ist, oder?«, fragte der Mandel.
»Jetzt ist er ja schon da«, sagte der Edelstein.
»Ha«, machte ich, warum, weiß ich gar nicht mehr genau.
Wir folgten dem Edelstein zu einem anliegenden Segelboot. Rumpf aus rötlichem Holz, Deck weiß gestrichen. Nicht besonders angeberhaft, muss ich zugeben, aber immerhin ein Segelboot. Veronique stand in einer weißen Schreibschrift drauf, was ich sehr bedenklich fand, nicht nur wegen der Schreibschrift. Backbord wartete ein untersetzter Mann mit Halbglatze, der aussah wie Gregor Gysi ohne Brille. Er trug eine weiß-rote Krawatte unter seiner Windjacke.
»Guten Tag, die Herren. Es gibt schönere Tage zum Segeln«, sagte der Gysi-artige Mann und lachte uns freundlich zu.
»Darf ich vorstellen, Max Mandel und sein Partner«, sagte der Edelstein.
»Peter Neumann«, sagte der Gysi und hielt dem Mandel die Hand hin.
»Aha«, sagte der Mandel und steckte die Hände in die Hosentaschen.
»Fahren wir erst mal ein bisschen raus«, sagte der Edelstein, und mit dem
Weitere Kostenlose Bücher