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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berni Mayer
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Flagge. Ich drehe mich immer wieder um, und die finstere Villa rückt immer näher. Bald steht sie direkt hinter uns. Wenn ich den Arm nach ihr ausstrecke, kann ich die eiskalte Hausmauer berühren. Der Himmel ist gelb, und es riecht nach Glut und Rauch, wie an einem Grillabend. Es wird schnell dunkel. Das Gemäuer stößt schon an meinen Hinterkopf. Die Malleck flüstert in mein Ohr.
    »Ich liebe dich. Aber nur, bis es dunkel ist. Keine Sekunde länger.«
    Es wird rasend schnell dunkel. Ich sehe kaum mehr die Hand vor Augen. Die Malleck rankt sich um mich wie eine Schlingpflanze, man hat das Gefühl, sie wird immer länger. Dann steckt sie mir ihre Zunge ins Ohr, und ich merke, wie es hineintropft. Immer mehr Wasser, immer schneller. Immer überfüllter wird mein Ohr mit dem Speichel von der Malleck. Ich höre nichts mehr vor lauter Wasser in den Ohren. Der Geruch von Rauch und Glut wird schärfer. Die Malleck hat sich um mich herumgesponnen wie eine Schlingpflanze, und das Wasser fließt von meinen Ohren in meinen Kopf, in mein Hirn, in meinen Mund und vorne wieder heraus. Es ist jetzt dunkel, nur noch ein gelbes Licht ganz weit weg, irgendwo da vorne. Ich muss zu dem gelben Licht. Zu dem gelben Licht, und zwar schnell, bevor hier alles lichterloh brennt oder ich an der Malleck ersaufe. Quasi höchste Eisenbahn. Wo ist mein Portemonnaie? Hab ich das in der Dunkelheit am Strand verloren? Ich dreh durch, wenn ich jetzt alle Karten sperren muss.
    Als ich aufwachte, war es fast dunkel. Ich lag am Uferstreifen vom Scharmützelsee, ein bisschen unterhalb der Stelle, wo ich umgeknickt war. Von hier aus konnte ich die Parkbank über mir sehen, auf der ich mit dem Mandel gerade noch gesessen war. Aber wie lange her war gerade noch ?
    Der Mandel. Der war nicht ernsthaft ohne mich in die Stadt zurückgefahren, oder? Das konnte er nicht bringen. Nicht wegen der Sache mit der Malleck. Die Malleck. Die Malleck. War sie auch da gewesen? Nein, kann nicht sein. Das hatte ich mir eingebildet. Ich blieb noch eine Weile liegen und schaute in den sich immer schneller verdunkelnden Himmel. Oben auf der Anhöhe die Parkbank aus Holz. Es fühlte sich an, als hätte jemand mit mir Schluss gemacht. Mein Portemonnaie fiel mir wieder ein. Ich tastete am Hintern meiner nassen Hose herum, aber da war nichts. Ich stand auf, kein Schwindel mehr. Grotesk, so ein Schwindelanfall aus dem Nichts. Ein regelrechter Kollaps. Ich suchte das Gras ab, aber ich konnte kaum noch etwas erkennen, weil es schon so dunkel war. Ich war nass bis auf die Knochen. Mein Telefon war noch in der vorderen Hosentasche. Es war nass und aus. Vielleicht war es auch kaputt. Aber wo war mein Portemonnaie? Bin ich in den See gefallen, oder warum ist alles nass? Wo ist das scheiß Portemonnaie? Die ganzen Karten, die man sperren und nachbestellen muss. Hoffentlich funktioniert das Telefon noch. Ich konnte es nicht einschalten. Ich ging die Anhöhe nach oben zu der Holzbank und setzte mich erst mal hin. Der Mandel hatte mich hier zurückgelassen. Ohne Geld und Ausweise. In der Dunkelheit von Diensdorf-Radlow.
    Der Taxifahrer, den ich nach einer Viertelstunde Umherirren in dem Ort auftrieb, war nicht willens, bis in die Stadt zu fahren, auch nicht für viel Geld. Ich war ihm zu nass, und das war ihm zu weit. Und ich hätte ihn ja noch nicht einmal gleich bezahlen können. In dem Aushang am kleinen Regionalbahnhof stand, dass der letzte Bus um 19:16 Uhr nach Fürstenwalde rausging, aber das half mir wenig, weil es schon 19:56 Uhr war.
    In der Pension Odin war noch ein Doppelzimmer frei, für sagenhafte hundertzehn Euro mit Frühstück. Ich unterschrieb dem Mann mit der gelben Frisur – vermutlich ein Färbeunfall – und dem grauen Schnauzbart eine Einzugsermächtigung für unser Betriebskonto, dessen Kontonummer und Bankleitzahl ich auswendig wusste. Der Mann sagte, es sei gefährlich, nach Dunkelheit in dem See zu baden. Es gäbe auch keine offizielle Badestelle. Ich solle das nächste Mal vorsichtig sein. Es sind schon Leute im Scharmützelsee ertrunken. Wenn ich wollte, könne ich einen Bademantel haben. Gegen fünfzehn Euro Leihgebühr, sagte der Mann mit den gelben Haaren. Ich fragte, ob ich telefonieren dürfe. Ich durfte und rief bei der Auskunft an und fragte nach der Nummer, unter der man Scheckkarten sperren lassen konnte. Ich ließ mich gleich weiterverbinden. Das Telefon stand hinter der Rezeption und der Mann während des Telefonats die ganze Zeit neben mir. Am Ende

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