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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berni Mayer
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schrieb er acht Euro und dreiundvierzig Cent in sein Rechnungsbuch. Ich hatte genug von diesem Tag, ließ mir den Bademantel geben und ging auf mein Zimmer, das direkt unter dem Dach lag. Über einem ziemlich tiefliegenden Holzbett, das in der Länge gerade mal für meine eins fünfundsiebzig ausreichte, hing ein gemaltes Bild von einem Haus auf einer Anhöhe. Es sah ein bisschen aus wie das Haus in Psycho , nein, es sah aus wie das Haus auf dem Cover von der Them von King Diamond. Das Haus, in dem dieser kleine Junge seine vom Teufel besessene Großmutter empfängt, die gerade aus dem Irrenhaus kommt. Die Them war nur der erste Teil von der Geschichte um das Haus gewesen. Die Nachfolgeplatte ist die Conspiracy, mit dem Gesicht vom King vorne drauf. Ich hatte damals die Conspiracy als LP , die Them besaß ich lediglich auf überspielter Kassette, und zwar noch nicht einmal in Chrom, sondern nur in Ferro-Qualität. Jetzt, wo ich das Bild von dem Haus sah, erinnerte ich mich wieder genau an die Them, die Conspiracy und überhaupt an King Diamond. Auf dem Cover-Foto von der Conspiracy trug der King nämlich ein neues Make-up, das war mir damals sofort beim Kauf im Stereo Wunderland aufgefallen. Überhaupt wusste ich früher anhand des Make-ups haargenau, ob es sich um ein Foto aus der Abigail -Zeit (das war das erste Konzeptalbum), der Them -Phase oder von der Conspiracy handelte. Oder sogar noch von Mercyful Fate, der ersten Band vom King. Ich will jetzt nicht ins Detail gehen, aber in der Abigail -Phase war diese okkulte Gesichtsbemalung deutlich symmetrischer und das umgedrehte Kreuz auf der Stirn der Blickfang. Bei Conspiracy floss das Schwarz immer mehr ins Weiß, das Chaos breitete sich wie eine Kreatur auf dem Gesicht vom King aus. Das passte zu der ausufernden Fantasie von dem Mann. Jetzt im Nachhinein gehört King Diamond ja zu den Heavy-Metal-Sängern, die einem eher peinlich sind. Wenn ich zurückdenke an die Falsettstimme und die hanebüchenen Konzeptalben mit Storylines, die selbst Edgar Allen Poe das Fürchten gelehrt hätten. Ich hatte bis dahin mindestens zwanzig Jahre nicht mehr an King Diamond gedacht, das war ein unerwartetes Wiedersehen. Der King war übrigens einer der wenigen ernsthaft bekennenden Satanisten gewesen. Aber er war auch Däne, und die da oben haben den ganzen Okkultismus im Metal immer schon ein bisschen ehrgeiziger betrieben als der Rest. Im Geiste hab ich es genau vor mir: »Welcome Home«, das erste Lied von der Them nach dem Hörspiel-Intro.
    »Grandma, welcome home. You have been gone for far too long«, kreischte der King, und ich erinnere mich, dass wir das damals schon albern fanden. Immer wenn meine Oma zu Besuch kam, sang ich mit der Falsettstimme vom King: »Grandma, welcome home«, sobald es an der Haustür klingelte. Riesengag. Vermutlich hätte mich an dem Abend nichts besser aufheitern, nichts mehr ablenken können, als das Bild an der Wand, das wie das Cover von der Them aussah. Wenn der King nicht gewesen wäre in dieser Nacht, ich hätte vor Enttäuschung nicht einschlafen können.
    Am nächsten Tag funktionierte mein Telefon wieder. Vielleicht hatte sich die Elektronik über Nacht gesundgetrocknet, vielleicht hatte es auch geholfen, dass ich das Telefon am Morgen einmal kräftig gegen den Bettkasten gehauen habe. Erstaunlich, wie verlässlich das klappt: ungehalten auf etwas Kaputtes draufhauen, bis es wieder geht. So habe ich schon Fernseher und Diktiergeräte repariert, denn diese Art von Alchemie wurde in meiner Familie über die Generationen weitergegeben. Ich rief den Mandel an und fragte ihn, ob er mir online ein Bahnticket buchen und es an die Pension Odin faxen könne. Ich erwartete große Probleme, erstens wegen dem Ärger mit der Malleck, zweitens der Mandel und etwas online buchen. Kein Problem, sagte der Mandel. Sei praktisch schon unterwegs. Oha, dachte ich.
    Nach einem Frühstück mit ganz miesen Croissants im trostlosen Speisesaal der Pension Odin neben einem Rentnerpaar aus Erlangen fuhr ich mit dem Bus nach Fürstenwalde, und eine Stunde später saß ich im Zug in die Stadt. Die paar Mark für den Bus lieh mir der Mann mit den gelben Haaren und setzte sie auf die Rechnung.
    Wenn man sich vergegenwärtigt, wie schlecht man finanziell ohne seine ganzen Scheckkarten dasteht, wird man wahnsinnig. Und wenn man, so wie ich, auch noch seinen Führerschein und seinen Personalausweis im Portemonnaie trägt, dann bleibt am Ende überhaupt keine Identität

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