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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berni Mayer
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Musik? Wann hat jemals irgendwer etwas aufgedeckt mit Musik? Der Urbaniak wird die Platte sowieso nicht herausbringen. Weil es von den Musikjournalisten nur Häme hageln würde, wenn der Tilmann einen auf Weltverbesserer macht. Nachdem der so einen Sellout die Jahre vorher betrieben hat. Und der Konsument kann doch mit so einer Message-Musik auch nichts anfangen. Das nervt die Leute doch nur, wenn sie politisch erzogen werden. Ich sag dir, was passiert, Mandel: Am Ende gibt es eine neue Best of DEMO mit einem der Folksongs vom Tilmann als Hidden Track und jedes Jahr zum Todestag das große DEMO -Reunion-Konzert, wo der Tilmann auf einer großen Leinwand eingespielt wird, während die anderen Hanseln ihre größten Hits runternudeln. Vielleicht gehen sie auch mit dem Tilmann auf Leinwand auf Tour, so wie Queen. Das haben wir doch alles schon tausendmal erlebt. So ein Musikertod ist nichts Besonderes mehr. Und ein Soloalbum noch viel weniger. Das ist alles viel zu viel Lärm um nichts und wieder nichts. Die steigern sich alle in etwas hinein. Bis ins Ungesunde steigern sich alle hinein. Und wegen dem Hineinsteigern aufgrund von ein paar Musikstücken müssen wir jetzt um unser Leben fürchten. Das ist doch hochgradig lächerlich. Sag doch auch mal was«, fuhr ich den Mandel an, weil ich mich so in Rage geredet hatte.
    »Jetzt beruhig dich, Sigi. Und na ja, der Biermann hat schon etwas bewirkt damals. Das mit der Ausbürgerung«, sagte der Mandel.
    »Warum hat niemand den Tilmann ausgebürgert? Jetzt ist es zu spät«, sagte ich.

Zwanzig

    Eine halbe Stunde später sperrte der Wulstige mit dem Mittelscheitel die Tür auf und eskortierte uns beide den endlosen Gang hinunter, bis wir an eine Tür gelangten, die in den nächsten Sektor des Gebäudes führte. Er zeigte uns während der Eskorte seine Pistole, und wir verhielten uns dementsprechend.
    »Wohin geht’s denn?«, fragte ich.
    »Halt die Fresse«, sagte der Mittelscheitel.
    »Wird man ja noch fragen dürfen«, sagte ich und bekam das vordere Ende der Pistole in den Rücken gebohrt.
    Irgendwann ging es wieder ein Stockwerk nach unten, bis wir in einem leeren Kantinensaal ankamen, einer Art längst verlassener Mensa. Es war wie in diesem Computerspiel Silent Hill , das in einer Geisterstadt spielt, die eigentlich eher eine Art Fegefeuer ist. Diese erdrückende Menschenleere mit den abblätternden Tapeten und den teilweise vernagelten Fenstern. Unzählige Tische gespenstisch aufgereiht, aber die meisten Stühle umgeworfen. Angekokeltes Irgendwas lag auf dem Boden, es roch nach Asche und Moder. Am Ende des Saals eine verwaiste Essensausgabe. Leere Vitrine, zerbrochenes Geschirr, Staub, Asche. Überreste der Essensausgabe der Jugendherberge. Man glaubt nicht, wie schnell so ein Verfall um sich greift. Der Verfall braucht keine Jahrzehnte, um sich gemütlich einzurichten. Neben der Essensausgabe befand sich der Ausgang.
    Unsere Schritte wurden vom Staub geschluckt, aber der schwere Tritt vom Mittelscheitel hallte in dem Saal wider. Ich hörte ein tiefes Grollen von irgendwoher. Entfernte Bauarbeiten, ein Untier, ein Schiff, das entladen wurde, man konnte es nicht genau sagen.
    An dem ersten Tisch der linken Reihe neben der verrotteten Essensausgabe saß der Neumann. Er trug eine Art Wildlederjackett und seine weiß-rote Krawatte dazu. Er sah aus, als würde er gleich die Superhitparade der Volksmusik moderieren. Volksmusik, wahrscheinlich hörte er Volksmusik. Warum bin ich da am Scharmützelsee nicht draufgekommen?, dachte ich dem Moment.
    »Die Herrschaften, herzlich willkommen«, sagte der Neumann.
    Der Mittelscheitel setzte uns auf zwei Stühle gegenüber vom Neumann. Von hinten kam der Pickelige in den Saal und hatte ein Messer in der Hand. Der Neumann winkte ihn weg, und so blieb er in einiger Entfernung von unserem Tisch stehen und drehte das Messer immer wieder an seinem Griff um die eigene Achse, der Angeber.
    »Das ist ja ein schlechtes Zeichen, Herr Neumann, dass Sie persönlich zugegen sind«, sagte der Mandel.
    »Wieso, Herr Mandel?«, sagte der Neumann.
    »Wenn Sie keine Angst vor einer Identifizierung haben, wollen Sie uns wahrscheinlich im Anschluss umbringen«, sagte der Mandel, und ich wunderte mich, wie leicht ihm die Vokabel »umbringen« über die Lippen kam.
    »Unfug, Herr Mandel. Ich schlage Ihnen lediglich ein Geschäft vor. Sie wären schlecht beraten, deswegen gleich zur Polizei zu rennen.«
    Der Neumann zog das neumodische Telefon vom Mandel

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