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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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zu
Juniorpartnern zu machen.
    Walter machte sich auch keine Sorgen, Madsen oder Stone, die jetzt
zweifellos auf der Straße standen und zitterten, könnten Paulie als Mafioso
erkennen. Die FBI-Leute sahen Mobster einfach nicht, waren der Mafia gegenüber
sozusagen grundsätzlich blind und zogen es im allgemeinen vor, sich auf
Kleinganoven mit Comics-Spitznamen wie »Machine Gun« und »Pretty Boy« zu
konzentrieren. In den goldenen Tagen der großen Banküberfälle hatte Hoover
seine Sturmund-Drang-Zeit erlebt, und während er hinter Capone herjagte,
hatte er Luciano und Lansky gleichzeitig Avancen gemacht. Doch um diese Zeit
wurden Bestechungen üblich, und die »G-Men« - wenn wir schon bei Spitznamen aus
Comics sind - hatten wenig zu tun, bis Mickey Spillane sie auf die
kommunistische Bedrohung aufmerksam machte und Hoover seine Nummer als großer
Supermann abzuziehen begann.
    Und überall rote Spione witterte.
    Ein tüchtiger Hilfskellner - er sah aus wie fünfzig und hatte
offensichtlich eine steile Karriere als Hilfskellner hinter sich - trug Paulies
schmutziges Geschirr ab, legte ein sauberes kariertes Tischtuch auf sowie
einfaches neues Geschirr, und das innerhalb von Sekunden, wie es schien.
Walter quetschte sich hinter dem Tisch auf die Bank an der Wand und spürte die
Aktentasche an den Füßen. Ein brauner Aktenkoffer aus Leder direkt neben der
Bank, genau dort, wo er stehen sollte. Das mußte man diesen Jungs vom Mob
lassen, es lief immer alles wie vereinbart.
    Der Kellner kam ohne Block oder Kugelschreiber an den Tisch und hörte
sich Walters Bestellung einfach an: ein New York-Steak, rare, Bratkartoffeln,
grüne Bohnen und ein Glas Rotwein.
    Das Steak war natürlich köstlich - dampfend, saftig und duftend, und
die Bratkartoffeln waren eine Spezialität des Palm, mit viel Paprika und
Stücken von grünen und roten Peperoni. Walter hatte eigentlich nichts trinken
wollen, doch es gefiel ihm einfach, Wein aus einem Saftglas zu trinken, so daß
er trotzdem einen bestellte. Er genoß das Essen so sehr, daß er nur leicht
verärgert war, als er Sam Zaif mit rotem Gesicht an seinem Tisch stehen und
sich die unbehandschuhten Hände reiben sah.
    »Juden fühlen sich in der Kälte nicht wohl«, sagte Zaif.
    »Na ja, Sie sind ein Wüstenvolk«, erwiderte Walter. »Man sollte
allerdings meinen, daß Sie nach all diesen Jahren des Herumwanderns in der
Diaspora, in so tropischen Klimazonen wie Polen und Rußland...«
    »Wir haben uns kaum mit diesen Völkern gekreuzt.«
    »Das erklärt natürlich alles.«
    »Ich habe dem Oberkellner gesagt, ich sei ein Freund von Ihnen«, sagte
Zaif.
    »Eine nur leichte Übertreibung«, gab Walter zurück, »und ich wünschte,
ich könnte Sie bitten, sich zu mir zu setzen, doch wie Sie sehen können, ist
hier nur Platz für einen.«
    »Ich könnte mich auch noch auf die Bank quetschen«, fühlte Zaif vor.
    »Ich will sowieso gleich wieder gehen.«
    »Mit dem Aktenkoffer?«
    Walter sagte: »Ich habe nicht vor, meine Arbeit in einem Restaurant
liegen zu lassen.«
    »Sie hatten ihn nicht bei sich, als Sie das Büro verließen.«
    »An Ihnen kann man wirklich kaum etwas vorbeischmuggeln, Detective Sergeant
Zaif.«
    »Ich bin ein Freund«, entgegnete Zaif. »Und ich hatte recht, nicht
wahr? Die Hühner laufen schon alle herum, Walter, und jetzt bleibt nur die
Frage, welches Huhn als erstes singt.«
    »Ich glaube nicht, daß Hühner wirklich singen«, erwiderte Walter.
    »Sie wissen schon, etwas in der Richtung«, fuhr Zaif fort. »Da draußen
stehen Typen, Walter, die das eindeutig neandertalhafte Aussehen von
Keneally-Angestellten haben.«
    Sowie einige Cro-Magnons vom FBI und vermutlich auch ein paar
Exemplare des homo sapiens, dachte
Walter, aber du scheinst sie verpaßt zu haben, Sam. Sie werden dich aber nicht
verfehlen. Madsen und Stone werden dich in der Sekunde schnappen, in der du
hier aus der Tür trittst, und dich mit Handschellen in irgendeinem netten Wagen
unterbringen, und du wirst nie erfahren, was für ein Glück du gehabt hast.
    »Geben Sie mir den Aktenkoffer«, sagte Zaif.
    »Sam«, sagte Walter, als er mit einer Geste um die Rechnung bat, »was
Sie wollen, befindet sich nicht in der
Aktentasche, denn die ist nur ein Köder. Was Sie wollen, steckt in einem
Umschlag in meiner Manteltasche. Nehmen Sie ihn und gehen Sie. Ich wiederum
werde diese Parade um Manhattan herum anführen, bis ich das Gefühl habe, daß
Sie die Ware sicher verstaut haben. Rufen Sie mich an, wenn

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