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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Umschlag herausnahm. Er
lachte, lachte laut und brach dann fast in Tränen aus.
    Manchmal, dachte Walter, kommt die Rettung mit Engelstrompeten und
der donnernden Stimme Gottes. Und manchmal kommt sie als der letzte Wille und
das Testament eines Päderasten und Zuhälters, der immer ein Gentleman war, was
immer er sonst sein mochte. Also Gott segne Dieter. Segne ihn und nimm ihn zu
dir.
    Auf der Straße leistete er sich den Luxus, sich umzudrehen, und sah,
daß er einen beträchtlichen Vorsprung vor einer Karawane hatte, die sich nach
Kräften abmühte. Madsen, Zaif und Keneallys Schläger folgten einander auf der
42. Straße und versuchten, ihm zu folgen, und das auch noch unauffällig.
    Walter beschleunigte das Tempo. Er hatte zum Essen einen Tisch
reserviert und war jetzt schon verspätet.
    Er hatte sich entschlossen, sein vielleicht letztes Dinner in New York
in The Palm einzunehmen, der alten Journalistenkneipe in der East 53. Er mochte
Geist, Einfachheit und gutes Essen, und The Palm bot das alles. Karikaturen von
Zeitungscartoonisten, die von anderen Zeitungscartoonisten gezeichnet worden
waren, bildeten den spärlichen, aber zufriedenstellenden Schmuck der dunklen,
holzgetäfelten Wände. Die Tische waren ebenfalls aus Holz mit einfachen,
geraden Stühlen, und der kräftige Rotwein wurde in Saftgläsern serviert.
Überdies ließen sich die Kellner von ihrer Kundschaft nicht sonderlich
beeindrucken. Sie bedienten die Reporter, Künstler, Redakteure und
gelegentlich auch Werbeleute mit einer Art dreistem Wohlwollen, wobei sie ganz
allgemein davon ausgingen, daß die Gäste wegen des guten Essens kamen und
nicht, um sich den Hintern küssen zu lassen.
    Ebensowenig wurden die Kellner im Palm durch kunstvolle
Beschreibungen der Gerichte belastet. The Palm bot Steaks - Sirloin,
Tenderloin, T-Bone-Steaks und New York-Steaks, die so groß waren, daß sie über
die Ränder der übergroßen Teller quollen. Oh, man bekam auch durchaus ein
Schweinekotelett, einen Hamburger oder auch ein Hähnchen, wenn man einfach
hereinspazierte und nicht wußte, was die kleine Kneipe in Wahrheit war - das
beste Steakhaus von New York City.
    Vermutlich das beste Steakhaus zwischen dem Atlantik und den
Rangierbahnhöfen Omahas, dachte Walter, und die Bedienung war so schnell, wie
man es von einem Restaurant mit einer Kundschaft erwarten konnte, die ständig
Deadlines zu erfüllen hatte. Ja, das Palm hatte die Aufgabe, seine Gäste mit
Steaks, Alkohol und vielleicht einer Kartoffel abzufüllen und sie dann wieder
auf die Straße zu schaufeln, damit sie die Geschichten aus der Stadt
weiterschreiben konnten. Es war kein Zufall, daß Walter für sein potentielles
Abschiedsessen gerade dieses Lokal gewählt hatte.
    Erstens lag es auf der East Side, und da er später nach Westen mußte,
lenkte er seine Verfolger damit in die falsche Richtung. Zweitens war es
rappelvoll mit Zeitungsreportern, was Keneallys Jungs, die FBI-Agenten,
Detective Sergeant Zaif und sonstwen davon abhalten konnte - wer immer da
draußen herumlungerte -, etwas besonders Dämliches zu versuchen, während Walter
sich bemühte, seine Mahlzeit zu genießen. Und schließlich war da das Essen
selbst, köstlich einfach und einfach köstlich, wie Walter dachte, obwohl nur
die wenigen anwesenden Werbefritzen die feine adverbiale Symmetrie der
Beschreibung zu schätzen wissen würden.
    Aber mir macht das Ganze Spaß, dachte Walter, als der Oberkellner zu
ihm kam, und an einem Abend wie dem heutigen ist das nicht unwichtig.
    »Es ist gerade ein Einzeltisch frei geworden«, sagte der Kellner und
ließ Walter damit wissen, daß er zu dieser Dinnerstunde nur an dem Tisch
sitzen durfte und nicht an einem größeren, der mehr Geld ins Lokal bringen
konnte.
    Und das ist nur fair, dachte Walter. Und genau, wie es sein sollte,
und so wartete er geduldig, als Paulie Martino von diesem Einzeltisch aufstand,
die letzten Tropfen seines Grappa leerte, sich den Mund abwischte und
hinausging, ohne auch nur einen Blick in Walters Richtung zu werfen.
    Das muß man den Jungs vom Mob lassen, dachte Walter. Sie mögen
bösartige Soziopathen sein, Parasiten, Abschaum ohne eine Spur von Stil oder
Geschmack, aber sie vermurksen einen Auftrag selten oder nie. Nein, die Jungs
vom Mob taten genau, was sie angekündigt hatten, effizient und ohne überflüssiges
Tamtam. Aus diesem Grund ist es ihnen wohl auch gelungen, dachte Walter, die
Iren aus der Unterwelt zu verdrängen und sie bei Polizei und Justiz

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