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Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Vereinigten Staaten ein Schwarzer?«
    »Und was hat er gesagt?«
    »Kent ist der Boss, keine Frage. Neben der Abzocke und der Dealerei wollen sie jetzt auch Schutzgelder kassieren. Sie haben einen Typen im West Village umgebracht, um ein Exempel zu statuieren.«
    »Bist du sicher?«
    »Ziemlich. Er hat mich angerufen.«
    »Wer?«
    »Kent.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Wenn ich südlich der 14 th Street Geschäfte machen wollte, müsste ich mit ihm zusammenarbeiten.«
    »Okay, T. Lass die Sache erst mal ruhen. Ich muss mit Breland darüber reden.«
    Wenn man die Whitestone Bridge und diverse Highways hinter sich hat, kommt man in den riesigen Wald, der den Großteil des Staates New York ausmacht. Wenn ich die Stadt verlasse, denke ich immer darüber nach, wie sehr die Wildnis die Bauwerke der Menschheit hassen muss.
    Der Tag war klar, der Himmel über dem sinnlosen Grün der umliegenden Wälder strahlend blau. Ich hörte Joni Mitchell. Ihre hohen Klagen fanden einen Widerhall in meinem Herzen, und ich sang schief und heiser mit.
    Windsong Estates war ein weitläufiges Gelände im Norden von Saratoga Springs. Es grenzte an einen Kiefernwald und bestand aus einem riesigen alten Herrenhaus, diversen Bungalows und modernen Wohngebäuden.
    Ich parkte meinen klassischen, weiß-grünen 57er Pontiac auf einem Parkplatz aus rotem Lehm und ging über einen breiten Rasen zu einer terrassenartigen Veranda, die sich über die gesamte Vorderseite des weiß gestrichenen Hauses erstreckte. Der grüne, gepflegte Rasen war menschenleer. Auch auf der Veranda war niemand zu sehen, bis ich einen Fuß auf die erste Stufe setzte.
    In diesem Moment kam eine Japanerin in babyblauer Schwesternkleidung durch eine Fliegengittertür. Ihr folgte ein weißer Pfleger mit kahlem Schädel und Schweinsaugen. Er war blass und schwer, doch das Fett wurde von einem beträchtlichen Muskelpaket in Form gehalten.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Frau mit einem perfekten amerikanischen Akzent.
    »Nova Algren.«
    »Und wer sind Sie?«
    »Sagen Sie, Leonid McGill bringt ihr Grüße von Bingo Haman.«
    »Und worum geht es?«
    »Das bespreche ich mit Ms. Algren.«
    Die Schultern des Pflegers hoben sich zwei Zentimeter. Die japanische Schwester war Mitte fünfzig, eher klein und mit einer Hautfarbe wie dunkler Honig. Sie war fit und ernst.
    »Verkäufer?«, fragte sie.
    »Nein.«
    »Versicherung?«
    Diesmal schüttelte ich den Kopf.
    »Ich muss ihr sagen, was Sie von ihr wollen.«
    »Leonid McGill mit Grüßen von Bingo Haman und seiner Mannschaft. Mehr brauchen Sie nicht.«
    »Ist dieser Haman ein Seemann?«
    »Nein.«
    »Was für eine Mannschaft denn dann?«
    Ich hatte das Verneinen satt und antwortete deshalb gar nicht. Der schielende Blick des Pflegers wurde unruhig. Die Schwester drehte sich um, machte dem Mann ungeduldig ein Zeichen, und beide verschwanden in dem dunklen Schlund hinter der Tür.
    Niemand bat mich herein, also lehnte ich mich an eine weiße Säule, die einmal ein Baum links der Treppe gewesen war. Ich überlegte, mir eine Zigarette anzuzünden, und entschied mich dagegen. In der Packung steckten noch vier. Die musste ich vor morgen früh aufrauchen, aber wahrscheinlich würde ich sie später dringender brauchen.
    Nach vielen Jahren Trial and Error hatte ich herausgefunden, dass die Entzugserscheinungen nicht weiter nennenswert waren, wenn ich nur vierundzwanzig Stunden geraucht hatte. Es war wie eine DU-KOMMST-AUS-DEM-GEFÄNGNIS-FREI -Karte, wenn ich diszipliniert mit dem Rückfall umging.
    »Mr. McGill«, sagte eine dünne Frauenstimme.
    Sie stand hinter dem grauen Schleier der Fliegengittertür, groß, mit einem grünen Hosenanzug, sorgfältig frisiertem Haar und einer Brille, die an einer Kette aus echten Süßwasserperlen um ihren Hals hing.
    »Das bin ich«, sagte ich und drückte den Rücken noch ein bisschen durch.
    Die ältere Dame lächelte und stieß die Tür auf. Ihre Schritte hatten einen kleinen Extraschub, ein bisschen mehr Energie, um sicherzugehen, dass sie nicht stolperte. Je älter man wird, desto härter muss man arbeiten.
    »Sie kommen in Bingos Namen?«, fragte sie.
    »Gewissermaßen.«
    »Ich dachte, er wäre gestorben.«
    »Die Toten hinterlassen häufig Botschaften.«
    »Mysteriös.« In ihren jungen Jahren musste sie eine schöne Frau gewesen sein. Sie war auch mit über siebzig noch attraktiv.
    »Sollen wir ein Stück ums Haus gehen?«, schlug sie vor.
    Ich folgte ihrem gemessenen Schritt über die Veranda bis

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