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Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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mich in den sechsundzwanzigsten Stock brachte, wo ich einen Raum betrat, den man nur als großen Glaskäfig bezeichnen kann, in dem eine junge Empfangssekretärin hinter einem hellblauen Schreibtisch saß. Der Teppich um den Schreibtisch war schwarz, ihm gegenüber stand eine Reihe von sieben Polsterstühlen vor einer Glaswand. Jenseits der durchsichtigen Wände gab es viele Türen.
    Einen Moment lang stellte ich mir vor, ich sei in einem Theater, wo das Publikum mitten auf der Bühne saß, während die Schauspieler um sie herum auftraten. In diese Fantasie war ich nun zweifelsohne während einer Pause hineingeraten.
    Auf dem Namensschild der bezaubernden Empfangssekretärin mit der milchkaffeefarbenen Haut stand KINESHA MOTUTO . Sie blickte zu mir auf und lächelte.
    »Nehmen Sie Platz, es kommt gleich jemand«, sagte sie.
    »Wissen Sie, wie lange es dauert.«
    »Bestimmt nicht lange«, sagte sie und widmete sich wieder den Papieren auf ihrem blauen Schreibtisch.
    »Welche Abteilung ist das hier?«
    Kinesha blickte freundlich auf und sagte: »Nehmen Sie einfach Platz, Sir. Es wird gleich jemand bei Ihnen sein.«
    Ich nahm den mittleren Stuhl, faltete die Hände und wappnete mich für eine lange Wartezeit. Aber kaum eine Minute später schwang eine Tür links hinter Kinesha nach innen auf, und heraus trat Alton Plimpton. Heute trug der schmächtige Manager einen dunkelgrünen Anzug und eine Krawatte von der Farbe einer angestoßenen Banane. Einen Moment lang starrte er mich durch den fragwürdigen Schutz der durchsichtigen Wand an. Dann klopfte er gegen das Glas.
    Kinesha drehte sich um, erkannte ihn und berührte irgendwas auf ihrem Schreibtisch. Eine Scheibe in der Wand wurde hochgefahren, die so entstandene Lücke war groß genug, dass ein Mann hindurchtreten konnte. Alton kam auf mich zu, ich stand auf.
    Bevor er etwas sagen konnte, sagte ich: »Ich bin hier, um Johann Brighton zu sprechen.«
    »Ich erhalte automatisch eine Benachrichtigung auf meinen Rechner, falls Ihr Name in der Besucherdatei auftaucht«, erwiderte er.
    »Komisch, beim NYPD gibt es einen Captain, der es genauso hält.«
    »Was wollen Sie hier, Mr. McGill?«
    »Mr. Brighton sprechen«, antwortete ich.
    »Mr. Harlow möchte nicht, dass Sie sich in diesem Gebäude aufhalten.«
    »Wer ist das?«
    »Es reicht, wenn Sie wissen, dass er Ihre Anwesenheit nicht schätzt.«
    »Und warum haben Sie mich dann erst reingelassen?«
    »Der Wachdienst steht bereit.«
    »Und Sie meinen, die würden mich erwischen, bevor ich Ihnen den Hals gebrochen habe?« Ich hatte in den vergangenen sechsunddreißig Stunden nicht viel geschlafen. Der Zündfunken erreichte so langsam den Sprengkörper.
    Kinesha stand auf. Ich fragte mich, ob sie auch zum Wachdienst gehörte. Ein großer Mann im dunklen Anzug trat durch die Glaswand.
    »Mr. Plimpton?«, fragte er.
    Alton drehte sich um, was mir Gelegenheit gab, den neuen Konzernvertreter zu mustern. Der Mann war groß, sportlich und hatte schwarze Haare. Entweder er trug einen blauen Anzug oder ich – beides konnte nicht sein, denn unsere Kleidung entstammte zwei unterschiedlichen Spezies im kapitalistischen Dschungel.
    »Mr. Brighton«, sagte Plimpton mit einer Unterwürfigkeit, die garantiert an seinem Wicht-Bewusstsein nagte.
    »Was machen Sie denn hier?«, fragte der Vizepräsident den leitenden Manager.
    »Mr. Harlow hat mich gebeten, Mr. McGill darüber zu informieren, dass er nicht hierherkommen soll.«
    »Ich kann mich nicht erinnern, Mr. Harlow dazu aufgefordert zu haben.«
    Ah … die Befehlskette.
    »Nun, ich, ähm, wir dachten, es wäre unnötig, Sie zu belästigen.«
    Brighton wandte seine Aufmerksamkeit von Alton ab und mir zu.
    »Johann Brighton«, sagte er und streckte die Hand aus.
    »Leonid McGill.«
    Brighton war attraktiv und charismatisch. Ich musste mich ein bisschen anstrengen, ihn nicht sympathisch zu finden.
    »Ihr Name taucht in letzter Zeit dauernd auf meinem Schreibtisch auf, Mr. McGill. Deshalb war ich froh, als meine Sekretärin mir gesagt hat, dass Sie hier sind.«
    »Mr. Brighton«, sagte Alton Plimpton.
    »Kommen Sie, Mr. McGill«, sagte Johann Brighton, ohne den Untergebenen weiter zu beachten. »Lassen Sie uns in meinem Büro weitersprechen.«

40
    Wir traten durch die Glaswand und eine Tür, hinter der sich ein langer schmaler Flur erstreckte. Wir folgten dem schlauchartigen Gang bis zu einem zylindrischen Raum mit vier Fahrstuhltüren, die im rechten Winkel zueinander angeordnet waren.

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