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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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ersten weißen Strähnen, engelhaft leuchtete. Als sie mir in die Augen sah, musste ich schlucken.
    »Das ist Mr. McGill«, sagte Hannah. »Er ist gekommen, um Großvater zu besuchen.«
    Hannahs Mutter legte drei Finger auf den Rücken meiner linken Hand.
    »Sind Sie ein Freund von Roman?«
    »Nein, Ma’am. Ein Bekannter hat gesagt, dass er mich sprechen möchte. Ein gewisser Timothy Moore. Kennen Sie ihn?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete sie.
    Ihr Lächeln war das einzige, das ich jemals gesehen hatte und als strahlend bezeichnen würde.
    »Ich habe gehört, Sie hatten einmal eine Angestellte namens Sanderson«, fragte ich, wahllos nach Antworten suchend wie ein Kind am Strand nach Muscheln.
    »Ja. Sie hieß Lita.«
    »Hatte Sie einen Sohn namens Willie?«
    »Sie hatte Kinder«, sagte Mrs. Hull. »Aber die habe ich nie kennengelernt. Bryant mochte es nicht, wenn das Personal unser Haus als Kinderhort benutzte.«
    »Aber Ihr Mann hat Litas Sohn doch geholfen, einen Platz im Sunset Sanatorium zu bekommen?«
    Die vielen Worte schienen die Dame zu verwirren. Sie atmete stoßweise ein, sagte jedoch nichts.
    »Ich habe Mr. McGill in unserem Haus in Albanykennengelernt, Mom«, sagte Hannah, um das Schweigen zu brechen.
    »Oh?« Sie wirkte milde interessiert. »Haben Sie auch meinen Sohn getroffen, Mr. Mac? Mick?«
    »McGill«, sagte ich und fragte mich, wann sie ihre Finger wieder wegnehmen würde. »Und ja, ich habe ihn kennengelernt.«
    »Was halten Sie von ihm?«
    »Ein netter junger Mann. Sehr ernst.«
    »Er ist mürrisch und undankbar«, brach es bei all ihrer Leichtigkeit unvermutet heftig aus ihr heraus. »Aber Blut ist dicker als Wasser.«
    »Mein Sohn ist genauso«, sagte ich. »Er weiß nicht, wie man mit Leuten redet, obwohl er schon einundzwanzig ist. Ich schätze, es liegt einfach daran, dass seine Gefühle zu tief in ihm vergraben sind.«
    Meine Worte schienen irgendetwas in ihr auszulösen. Ihre Gesichtszüge ordneten sich so, dass sie mich beinahe wahrnahm.
    »Tief in ihm vergraben«, wiederholte sie wie ein Echo. »Ja, ja. Da haben Sie recht. Bryant sagte, dass es Schulden gibt, die man bezahlen muss, aber am Ende ist jede Schuld eine Blutschuld, meinen Sie nicht auch?«
    Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.
    »Die Blutschuld«, fuhr sie fort, »ist der Fluch der Menschheit.«
    »Wir müssen gehen, Mutter«, sagte Hannah.
    Mrs. Hulls Finger lagen immer noch auf meiner Hand.
    »Ja«, sagte sie und schaute tief in mich hinein. »Es war überaus reizend, Sie kennenzulernen.«
    Ich zog meine Hand weg und machte einen Schritt zurück.
    »Kommen Sie«, sagte Hannah.
    Auf halber Treppe drehte ich mich noch einmal um und sah, dass Hannahs Mutter uns in entrückter Verzückung nachblickte.

50
    Ohne weitere Unterbrechung und ohne ein weiteres Wort zu wechseln, erreichten wir den zweiten Stock. Hannahs natürlicher Elan schien durch die Schönheit und das sonderbare Benehmen ihrer Mutter gedämpft.
    Wir kamen zu einer schwarzen Tür, an der ein kleiner Kranz aus getrockneten gelben Sweetheart-Rosen hing. Hannah bedachte mich mit einem matten Lächeln.
    »Das Zimmer meines Großvaters«, sagte sie. »Er hat Fritzie erklärt, dass eine schwarze Tür mit gelben Rosen Flüche fernhält.«
    Ich nickte, und wir blickten beide auf die Tür.
    »Ihre Mutter wirkt ein wenig verwirrt.«
    »Heute ist einer ihrer guten Tage.«
    Ich lächelte.
    »Finden Sie das komisch«, sagte sie ohne eine für mich erkennbare Gefühlsregung.
    »Meine ganze Kindheit habe ich davon geträumt, in einem Haus wie diesem zu leben«, erwiderte ich.
    »Und was denken Sie jetzt?«
    Im selben Moment flog der Papagei kreischend über unsere Köpfe hinweg, und wir lachten beide.
    Hannah trat vor und klopfte an die ritualistische Tür.
    Eins der Dienstmädchen öffnete sie einen Spaltbreit und spähte nervös hinaus.
    »Das ist Mr. McGill, Rosa. Er möchte meinen Großvater sprechen.«
    »Ich weiß nicht, Miss Hannah«, sagte Rosa fast akzentfrei. »Ihr Großvater ruht sich aus.«
    »Wer ist da?«, bellte eine Männerstimme hinter dem Rücken der Frau mit der olive-goldenen Haut.
    »Miss Hannah«, sagte Rosa, den Kopf in den Raum hinter sich gewandt.
    »Was will sie?«
    »Sie hat einen Mann mitgebracht, der Sie sprechen möchte.«
    »Dann führ ihn rein, Mädchen«, befahl eine unangenehme und sehr männliche Stimme.
    Im Hintergrund lief Klaviermusik. Die Komposition folgte keinem erkennbaren Stil. Es war kein Jazz, keine Klassik, nicht

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