Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman
einmal Fahrstuhl-Geklimper mit Cover-Versionen bekannter Pop-Songs – es waren einfach nur Töne, nach einem strengen mathematischen Muster seelenlos aneinandergereiht.
Rosa trat zur Seite, damit ich eintreten konnte. Im selben Moment machte Hannah einen Schritt rückwärts.
Ich blickte meine junge Freundin fragend an.
»Ich gehe nie in Grandpas Zimmer«, sagte sie.
Ich habe schon monatelang für weniger Informationen ermittelt.
In Roman Hulls höhlenartigem Zimmer war es düster und heiß. In der feuchten Luft hing ein erstickend süßlicher Duft, begleitet von dem unbarmherzigen, seelenlosen Geklimper. Als die Tür hinter mir zufiel, spürte ich das Pochen einer aufflackernden Panik in meiner Brust. Ich sah keine Fenster. Der Raum war wie eine Einzimmerwohnung in vier Bereiche unterteilt. Rechts von mir befand sich eine Kochnische mit Herdplatte, Regalen und einem Tisch, der für eine Person gedecktwar. Links ein Arbeitsbereich mit einem Eichenschreibtisch und einem roten Polsterstuhl. Dahinter gab es links eine Bibliothek und rechts einen Schlafplatz.
Bewohnt war nur das provisorische Schlafzimmer. Vor dem Bett saß ein alter Mann in einem Hightech-Rollstuhl. Aufrecht stehend wäre er groß gewesen. Er hatte ein leichenhaft eingefallenes Gesicht. Vielleicht war er einmal ein Weißer gewesen, doch jetzt war er grau mit allen Implikationen dieser Farbe.
Neben ihm auf einem Klappstuhl aus Kiefernholz saß eine kleine Frau mit harten Augen, die garantiert aus einem Land südlich von Mexiko stammte. Sie trug Kleidung, die in Nordamerika weder hergestellt noch verkauft wurde, ein grober Stoff mit fruchtigen Blau- und blutigen Rottönen, dazu ein violettes Tuch um Kopf und Kinn. Ihr indianisches Blut war noch nicht von den spanischen Konquistadoren erobert worden, und wenn man mich gefragt hätte, was sie hier machte, hätte ich ohne Zögern geantwortet: »Auf den Tod warten.«
Die goldenhäutige Rosa stand hinter seinem Stuhl.
»Sind Sie gekommen, um Bryant zu sprechen?«, fragte der graue Mann.
Er trug einen hellgelben Schlafanzug, der mich an den wilden Vogel im Flur und den fetten Toolie im Gefängnis erinnerte. Über seinem Schoß lag eine braune Decke.
»Nein«, sagte ich und machte die sieben Schritte bis zu seinem Rollstuhl. »Ich bin gekommen, um mit Ihnen zu reden.«
»Was könnte ein Neger in einem billigen Anzug mit einem Mann wie mir zu besprechen haben?«, fragte er. Beim Reden kniff er die Augen zusammen und lächelte. Auch seine Zähne waren grau.
Aber bei aller bemühten Mimik, der Rest von Leben, der noch in Roman steckte, lag in seinen Augen. Sie waren normal braun und leuchteten von innen mit wildem Hass. Wenn ich abergläubisch wäre, hätte ich gedacht, ich besuchte den Consigliere des Beelzebub.
»Timothy Moore«, erwiderte ich, als ich direkt vor ihm stand. »Mein Name ist Leonid McGill.«
Ich hatte zumindest einen Anflug von Furcht in diesen satanischen Augen erwartet. Aber so leicht würde Roman nicht zusammenbrechen.
»Rosa, Margarita«, sagte er, während er zu mir hoch starrte, »lasst mich und Mr. McGill ein paar Minuten allein.«
Die Frauen gingen ohne Zögern oder Widerspruch. Fünfzehn Sekunden später waren beide verschwunden, um die Männer ihre albernen Spielchen spielen zu lassen.
»Setzen Sie sich, Mr. McGill«, sagte Roman und wies auf den Stuhl, den Margarita geräumt hatte. »Das war doch das richtige Wort, oder?«
»Setzen?«
»Neger. So nennen Ihre Leute sich doch manchmal noch, oder?«
»Ich bin hier, um mit Ihnen über Ihr Interesse an meinem Wohlbefinden zu sprechen«, sagte ich, »nicht über korrekten Sprachgebrauch.«
»Oh? Gebildet, was? Lässt sich nicht so leicht hinters Licht führen, der Negerjunge.«
Im Missouri des Jahres 1980 hätte er mich damit vielleicht mehr provoziert.
Ich lächelte.
»Warum haben Sie Timothy beauftragt, mich umzubringen?«
»Ich kannte mal einen Mann namens Timmy, aber keinen Moore, Mohr«, sagte er und lachte.
»Das ist nicht witzig, Roman. Es ist nicht witzig, und es braucht mehr als ein paar miese Kalauer, um mich wütend zu machen. Wütend macht mich, dass jemand versucht, mich umzubringen, und ich nicht mal weiß, warum.«
Der Greis schüttelte lächelnd den Kopf.
»Ich kann dir nicht helfen, Mohr«, sagte er. »Ich verlasse das Haus nicht mehr.«
Da kapierte ich. Roman starb, und er wusste es. Sein Leben war auf diesen Raum beschränkt, wo er von Fremden zu Tode gepflegt wurde. Seine Enkelin weigerte sich,
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