Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
Vom Netzwerk:
bewaffnet und, obwohl ich in den letzten dreißig Stunden nur ein fünfzehnminütiges Nickerchen gemacht hatte, hellwach.
    Ich wusste nicht, wer sich im Haus aufhielt. Wenn Bryant dort war, konnte ich ihm erzählen, dass sein Vater versucht hatte, mich umbringen zu lassen, oder vielleicht auch behaupten, Norman Fell hätte mich empfohlen. Ich konnte sagen, dass ich ein Privatdetektiv war, der den Tod von drei jungen Männern untersuchte, inklusive eines alten Falls einen gewissen Thom Paxton betreffend.
    Wenn Roman zu Hause war, konnte ich behaupten, ich sei ein Freund von Timothy Moore und hätte eine dringende Nachricht für ihn.
    Wenn der Fluss voll Whiskey wär und ich eine Tauchente ...
    Es schadet nie, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten, wenn man die Gelegenheit dazu hat.
    Im Schatten des Hull’schen Hauses stehend machte ich meinen Frieden mit der Tatsache, dass ich keine Ahnung hatte, was ich sagen sollte oder aus welchem Grund die Verbrechen begangen worden waren. Mit dem Wissen, nichts zu wissen, war ich immer noch besser dran, als ich es andernfalls gewesen wäre.
    Mit dieser Einsicht in meine Ahnungslosigkeit überquerte ich die Straße und drückte auf die rissige Plastikklingel am Tor des reichen Mannes.
    Ich lächelte in die Kamera, die mich aus einem Loch in dem weißen gusseisernen Tor musterte. Ich war bereit, zu schmeicheln, zu jammern und mit jedem zu rechten und zu streiten, der mir den Zutritt verweigern wollte.
    Stattdessen ertönte ein Summer, und eine Stimme stieß hervor: »Kommen Sie rein! Ich warte schon seit zwei Tagen auf Sie!«
    Ich drückte gegen das schwere Tor, das auf gut geölten Angeln aufschwang. Nach drei Schritten hörte ich, wie es hinter mir wieder ins Schloss fiel.
    Jenseits des Tores erstreckte sich ein überraschend großer, tiefgrüner Rasen um ein paar Dutzend sorgfältig gestutzter Rosensträucher. Die blühenden Büsche trugen große üppige Blüten in jeder denkbaren Farbe, zwischen denen vom Aussterben bedrohte Honigbienen träge hin und her summten, berauscht von den schweren Aromen und satten Pollen.
    Der steinerne Weg zog sich etwa zehn Meter durch den ungewöhnlichen Manhattaner Vorgarten bis zu einer Marmortreppe mit achtzehn Stufen, die zu einer sehr alten sargdeckelgleichen Tür hinaufführte.
    Ich suchte noch nach einer Klingel an der finsteren Barriere, als die Tür aufging. Am Knauf hing Hannah und lachte für mich.
    »Ich wette, mich haben Sie nicht erwartet«, sagte sie.
    Heute war sie barfuß in engen blauen Jeans und einem schulterfreien dunkelblauen Glitzertop, das ihre kleinen Brüste bedeckte.
    »Nein«, bestätigte ich.
    »Aber ich wusste, dass Sie kommen würden.«
    »Haben Sie Ihrem Vater erzählt, dass Sie mich erwarten?«
    »Nein.«
    »Haben Sie es irgendjemandem erzählt?«
    »Wollen Sie jetzt reinkommen, Mr. McGill?« Die multiplen Persönlichkeiten, die aus ihrer Erziehung und Schulbildung resultierten, waren verschwunden. Sie war einfach ein niedliches junges Mädchen, verwundbar und furchtlos zugleich. An ihrem Blick erkannte ich, dass sie uns jetzt als gute Freunde betrachtete, die eine Episode ihres Bruders gemeinsam durchgestanden hatten.
    Sie hatte mein Zögern bemerkt. Irgendetwas an der Überschwänglichkeit, die Hannah ausstrahlte, löste den Impuls aus, innezuhalten oder vielleicht sogar umzukehren. Beim Anblick einer hilfsbedürftigen jungen Dame in ihrem einsamen Turm wollen die meisten Männer ihr Pferd satteln und sie retten – doch ich wusste es besser. Die Art Hilfe, die ich anbieten konnte, führte zu Kurzschlüssen und Getriebeschäden.
    Sie fasste mehrere meiner Finger und zog daran.
    »Kommen Sie.«
    Ich ließ mich von ihr in eine palastartige Eingangshalle ziehen, die man kaum als Vorzimmer oder Foyer bezeichnen konnte. Es war ein runder Raum von sieben Metern Durchmesser mit einer breiten Wendeltreppe, die sich über sämtliche sechs Stockwerke erstreckte und unter einem Oberlicht endete, durch das diffuse Sonnenstrahlen in diese jenseitige Welt fielen. Das durchgehende Geländer ließ die Wendeltreppe aussehen wie die hohen Logen eines Theaters, dessen Bühne der Boden im Erdgeschoss war.
    In der Mitte des Raums stand ein runder Mahagonitisch mit einem prächtigen Strauß aus mindestens einhundert frisch geschnittenen Blumen, die so arrangiert waren, das man das Gefühl hatte, in einen Regenwald oder Dschungel zu blicken. Der Florist musste ein Genie sein.
    Meine Ehrfurcht überschlug sich, als irgendein großer,

Weitere Kostenlose Bücher