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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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fünfundzwanzig Minuten.«
    »Lassen Sie sich Zeit, mein Sohn.«
    »Brauchen Sie sonst noch was?«
    »Ja. Haben Sie ein Telefonbuch von Albany?«
    »Ich glaub schon. Könnte allerdings ein paar Jahre alt sein.«
    »Schicken Sie es mit dem Mädchen nach oben.«
    »Ja, Sir.«
    Ich dachte an Jimmy und musste lächeln. Er war eine alte korrupte Seele, die in einem jungen unpassenden Körper steckte. Das Einzige, was ihn antrieb, war Handel. Im Grunde genommen ging es ihm weniger um das Geld als darum, wie er es machte. Mein Trinkgeld war eine Beleidigung gewesen, aber mich mit weiblicher Gesellschaft zu versorgen gab ihm das Gefühl, etwas erreicht zu haben. Das gefiel mir. Es hatte diesen Gestank von Menschlichkeit, so ähnlich wie das Bouquet von Gorgonzola.
    Ich öffnete meinen Seesack und nahm einen zusammengerollten dunkelblauen Anzug heraus, eine exakte Kopie des Anzugs, den ich mir in dem Hinterhof versaut hatte. Ich mochte Jimmys Berechenbarkeit, wie alles, worauf ich mich verlassen konnte.

16
    Der Raum war kaum groß genug für das Doppelbett. Ich saß noch immer ein wenig benommen auf der Kante, als es leise klopfte. Ich musste zum Öffnen nicht aufstehen, tat es aber trotzdem.
    Die Kleine war jung und noch dunkler als ich. Sie trug ein gelbes Partykleid, aber kein Lächeln im Gesicht. Sie war schlank und unterhalb der Taille breiter als oberhalb. An ihre Brust drückte sie ein abgegriffenes Telefonbuch.
    »Komm rein«, sagte ich und trat zur Seite, weil das Bett einen höflichen Rückzug unmöglich machte.
    Sie betrat das Zimmer und ließ die Tür offen stehen.
    »Hundert Dollar vorab«, waren ihren ersten Worte.
    Ich nahm vier gefaltete Fünfziger aus meiner Hemdtasche und gab sie ihr. Sie tauschte das Geld gegen das ramponierte Telefonbuch.
    »Zweihundert Dollar für eine Stunde«, sagte ich.
    Sie zählte die Scheine zwei Mal, schloss die Tür und sah mich an. Ihr Blick war klar, aber keineswegs unschuldig. Diese großen Augen waren nicht lebensklug, jedoch auch nicht unerfahren.
    »Wie heißt du?«, fragte ich.
    »Seraphina«, antwortete sie.
    »S-a-r-a-f...?«, fragte ich.
    »S- e- r-a- p-h -i-n-a«, buchstabierte sie wie eine Grundschullehrerin, die die Geduld schon verloren hatte, bevor die Schüler ihrer aktuellen Klasse überhaupt geboren worden waren.
    »Ein sehr schöner Name«, sagte ich. »Ein schönes Kleid, schöne Haut, ein schönes Mädchen. Setz dich.«
    Ich hockte mich auf die Nordseite des Bettes, während Seraphina den Süden wählte. Jetzt war sie eher noch mehr auf der Hut. Komplimente sind häufig bloß Tarnung für versteckten Widerwillen, und ich hatte gerade vier hintereinander rausgehauen.
    »Was wollen Sie?«, fragte sie.
    »Reden.«
    »Sie könnten in eine Bar gehen und einem Mädchen einen Drink spendieren, wenn Sie nur reden wollen.«
    »Bei meinem Glück nicht.«
    »Haben Sie Pech?«, fragte sie mit einem Hauch barscher Freundlichkeit.
    Ich grunzte lachend und nickte.
    »Ich bin aus Newark«, sagte ich. »Und ich suche hier nach einem Typen.«
    Ich gab ihr die Visitenkarte, und sie betrachtete sie.
    »Das ist ein Weißer«, stellte sie fest und gab sie mir zurück. »Die kann ich nicht auseinanderhalten. Wenn sie mich mehr als einmal anfordern, könnte ich Ihnen manchmal was darüber sagen, wie sie riechen. Aber das ist auch schon alles.«
    Sie sah sich im Zimmer um und grinste höhnisch.
    Jimmy hatte auf jeden Fall geliefert, wonach ich gefragt hatte.
    »Weshalb suchen Sie ihn?«
    »Er hat mich mit einem Job beauftragt und dann nicht bezahlt.«
    »Oh. Verstehe.«
    »Jedenfalls bin ich auf der Suche nach diesem Ambrose in einer Kneipe gelandet, und ein großer Weißer hat eine Schlägerei mit mir angefangen. Ich hab mehr ausgeteilt, als ich eingesteckt habe, aber ich muss diesen Mann immer noch finden.«
    »Wo hat er Sie erwischt?«, fragte sie.
    Ich wies auf die linke Seite meines Kinns.
    Die Kleine beugte sich vor und berührte mit vier Fingern meine Wangen. Mein Herz fing an zu pochen, und ich spürte, wie sich meine Nasenlöcher weiteten.
    »Die Haut ist heiß, aber nicht geschwollen«, sagte sie.
    Ich hatte vor drei Monaten zum letzten Mal Sex, an dem Abend, als Katrina zurückgekommen war, und es hatte nichts mit Genuss zu tun gehabt. Ich musste eine Pille schlucken, um es zu bringen, die Art Pille, die einen hart, aber nicht glücklich macht. Ich hätte Seraphina und mich gerne ausgezogen. Sie war jung, und ich hatte schon dafür bezahlt. Ich wollte sie, und es wäre

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