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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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auch nichts verkehrt daran gewesen, zumindest dieses Mal nicht. Aber Sex mit der Kleinen wäre der erste Schritt weg von dem Mann gewesen, der zu sein ich mir vorgenommen hatte.
    »Hast du einen Freund, Seraphina?«
    »Natürlich.«
    »Ihr beide kennt doch sicher eine Menge Leute in den Clubs und so.«
    »Ja und?«
    »Siehst du«, sagte ich, »ich glaube, dieser Typ, den ich suche, kennt vielleicht auch Leute. Du weißt schon, Dealer, Spieler und so.«
    »Hm-hm.«
    »Und ich hab mich gefragt, ob es hier in der Gegendvielleicht jemanden gibt, der sich in der Szene auskennt.«
    Ich war äußerst vorsichtig. Seraphina war eine junge Prostituierte, vielleicht noch nicht einmal volljährig. Trotzdem war sie sensibel und deshalb womöglich sehr empfindlich, was Beleidigungen anging. Ich durfte weder Zuhälter noch Huren erwähnen, aber ich brauchte die Beziehungen einer Hure.
    »Da wäre Big Mouth Jones in Tinker’s Bar & Grill«, sagte sie. »Er kennt jeden und hat eine große Klappe.«
    »Ein Schwarzer?«
    »Hm-hm. Aber Sie sollten sich nicht mit ihm anlegen. Er hat eine Truppe, die würden einen Typen einfach so abmurksen.«
    Ich lächelte wie fast immer, wenn jemand andeutet, dass er oder sonst irgendjemand mich umbringen könnte.
    »Haben Sie keine Angst?«, fragte sie.
    »Eigentlich nicht.«
    »Soll ich mich jetzt ausziehen?«
    »Um ehrlich zu sein, Seraphina, macht ein Mann, der mit einer Frau schläft, immer auch Liebe mit sich selbst.«
    »Was soll das heißen?«, fragte sie, und ihr Grinsen war beinahe verschwunden.
    »Dass er sich ausmalt, angesichts ihrer Schönheit stark und männlich zu sein.«
    »Und?«
    »Du bist sehr schön. Das sehe ich. Aber ich bin alt und schwabbelig, kein junger Mann, wie ihn eine Frau wie du nackt und in Action sehen will.«
    »Woher wissen Sie, was ich sehen will?«
    »Ist dein Freund stark und gut gebaut?«
    »Ja«, antwortete sie mit einem kleinen Lächeln. »Aber das hat nichts zu sagen. Vielleicht mag ich Sie trotzdem.«
    »Nett von dir, dass du das sagst, Kleine. Aber ich bin klug genug, mich nicht zu blamieren.«
    »Ich könnte es dir gut machen.« Sie nahm meine Hand.
    Die Worte machten mich benommen. Meine Zunge wurde trocken.
    »Sie atmen schwer, Mr. Carter«, sagte sie.
    »Ich kann nicht.«
    »Was können Sie nicht?«
    »Ich kann nicht mit dir zusammen sein, Mädchen.« Ich löste mich behutsam von ihr.
    »Wenn Sie Angst vor Krankheiten haben, kann ich auch nur die Hände benutzen.«
    »Ich hab mehr Angst vor dir als vor irgendeinem Bazillus.«
    »Vor mir? Ich bin doch bloß ein Mädchen.«
    Ich stand auf.
    »Vielen Dank, Seraphina. Du hast mir sehr geholfen.«
    Ich gab ihr fünfzig Dollar Trinkgeld, fasste ihr Handgelenk und zog sie auf die Füße. Als sie sich mit beiden flachen Händen an meiner Brust abstützte, zuckte ich zusammen.
    »Sie waren lange nicht mit einer Frau zusammen, was?«, sagte sie.
    »Das ist okay, weißt du. Wie Fahrradfahren. Man muss keine Rennen gewinnen, um Spaß zu haben.«
    Sie zögerte kurz, um zu sehen, ob ich es mir anders überlegen würde. Als sie merkte, dass dem nicht so war, küsste sie mich auf die Wange, öffnete die Tür und ging.
    Wenn ich ein anderer wäre, hätte ich vielleicht geweint.
    Nachdem ich zum zweiten Mal geduscht hatte, widmete ich mich dem Telefonbuch, das neben dem normalen Register auch die Gelben Seiten umfasste. Es war neun Jahre alt, doch das war egal.
    Einen Ambrose Thurman gab es nicht. Ich suchte in den Gelben Seiten unter Restaurants nach Tinker’s Bar & Grill. Der Laden war in der South Street, keine sechs Blocks entfernt. Meine Armbanduhr zeigte 22.37 Uhr an. Wahrscheinlich hielt Big Mouth gerade Hof. Und mit ein bisschen Glück würde irgendwann Seraphina auftauchen. Sie hatte recht – ich war lange nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen. Ich musste meine Anspannung irgendwie loswerden.
    Der Gedanke daran, in die Bar zu gehen, bedrückte mich. Thurman zu finden bereitete vielleicht mehr Probleme, als es löste; aber wenn ich ihn nicht fand, hatte ich gar keinen Ansatzpunkt mehr.
    Mein Widerwille, den einzigen Weg einzuschlagen, der mir offen stand, kombiniert mit der Hoffnung, die junge Seraphina wiederzusehen, löste einen Gedankengang aus, der mich zu Ambrose Thurmans grundloser Eitelkeit zurückführte. Ich schlug in den Gelben Seiten die Rubrik für private Ermittler auf. Viele Detektive hatten Anzeigen geschaltet, manche waren mit Illustrationen gestaltet, andere mit Fotos. Und auf einer

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