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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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derSeiten lächelte mich das birnenförmige Gesicht von Norman Fell an, genauso wie es von der gelben Visitenkarte lächelte, die in meiner Tasche steckte.

17
    »Haben Sie einen Schraubenzieher?«, fragte ich Jimmy in seinem durchsichtigen Käfig.
    »Der muss hier bleiben für den Fall, dass der Portier ihn braucht«, antwortete er, ohne sich die Mühe zu machen, sich von seinem Drehstuhl zu erheben.
    »Sie haben einen Portier?«
    »Ich bin der Portier«, sagte er.
    »Ich will ihn nur ausleihen. Zwanzig Dollar?«
    Er wandte mir sein Profil zu, öffnete einen kleinen Wandschrank und kramte darin herum, bis er einen Schraubenzieher mit durchsichtigem gelbem Plastikgriff gefunden hatte. Er war fünfundvierzig Zentimeter lang mit einem blauen, knapp einen halben Zentimeter dicken Metallschaft.
    Wir tauschten Bargeld gegen Werkzeug, und ich trat hinaus in den Abend von Albany.
    Das war eine übliche Runde nach elf.
    Die Decker Avenue war ein trister Straßenblock mit altmodischen Bürogebäuden aus Backstein. Es gab sechs Laternen, von denen jedoch nur zwei funktionierten. Es herrschte nur sporadischer Verkehr, und in den siebzehn Minuten, die ich dort saß, kam kein einziger Fußgänger vorbei.
    Laut Klingelschild war Norman Fells Büro im dritten Stock: 3E.
    Ich ging um das Haus und folgte einem schmalen Betonpfad zwischen Fells und dem benachbarten Gebäude. Das Schloss an der Hintertür war mit einem dicken Schutzblech verstärkt, aber die Kellertür fünf Stufen tiefer hätte nicht mal einer kräftigen Böe standgehalten. Ich stemmte das Schloss auf und nahm die Hintertreppe nach oben.
    Norman Fells Tür befand sich direkt neben dem Treppenhaus. Durch den Spalt am Boden schimmerte kein Licht. Ich überprüfte die anderen Büros auf dem Flur. Sie waren alle still und dunkel.
    Ich klopfte an Fells Tür. Niemand antwortete.
    Sein Schloss bereitete mir mehr Mühe als das im Keller, stellte jedoch auch keine ernsthafte Herausforderung dar.
    Fells Büro lag nach hinten heraus, so dass ich es wagte, das Licht anzumachen.
    In der Mitte des Raums stand ein großer Schreibtisch aus Kiefernholz. An der Wand rechts und hinter dem hellen Schreibtisch reihten sich mehrere Bücherregale, links thronte ein grüner Aktenschrank aus Metall neben einer breiten Eichentür zu einem riesigen, weiß gekachelten Bad mit einer großen Eisenwanne auf einem etwa dreißig Zentimeter hohen Podest. Es war eine sonderbare Einrichtung, zumal das Haus schon immer ein Bürogebäude gewesen sein dürfte, aber vielleicht hatte der Mann, der diese Suite hatte entwerfen lassen, auch hier gewohnt.
    Ich gab meine architektonischen Spekulationen auf und wandte mich dem eigentlichen Zweck meines Besuches zu.
    Handschuhe trug ich bereits, seit ich aus dem Auto gestiegen war.
    Es gab zwei tiefe Schubladen mit Akten, die jedoch nutzlos, weil völlig ungeordnet waren. In der Hängeregistratur lagerten hauptsächlich Formulare, Gebrauchsanweisungen sowie Werkzeuge, Draht und dergleichen. Auf der Suche nach einem bekannten Namen kramte ich alles durch, fand jedoch weder einen Frank Tork noch einen Roger Brown und auch keinen Leonid McGill oder sonst etwas über diesen Fall oder irgendeinen anderen.
    Die Durchsuchung des Schreibtischs förderte kaum mehr als das Paar kleine Schuhe zutage, das darunter stand. Offenbar bewahrte Norman Fell alias Ambrose Thurman keinerlei schriftliche Informationen auf. Es gab auch keinen Computer, nicht einmal eine Schreibmaschine. Die einzigen Dokumente waren eine aktuelle Telefonrechnung, die auf dem Schreibtisch lag, sowie ein handschriftlich geführtes Buchhaltungsregister in einer verschlossenen Schublade. Ich riss alle Seiten bis einen Monat vor Fells Kontaktaufnahme mit mir heraus und steckte sie zusammen mit der Telefonrechnung ein.
    »Der Bücherschrank eines Menschen wird dir alles verraten, was du über ihn wissen musst«, hatte mein Vater mir mehr als einmal erklärt. »Ein Geschäftsmann hat Wirtschaftsbücher, ein Träumer hat Romane und Gedichtbände. Die meisten Frauen lesen gern über die Liebe, und ein wahrer Revolutionär hat Bücher über Strategien, den Unterdrücker zu stürzen. Ein Mensch ohne Bücher in einer modernen Umgebung ist belanglos, aber ein lesender Bauer ist ein künftiger Prinz.«
    Ich weiß nicht, woher mein Vater den ganzen Kramhatte. Geboren und aufgewachsen war er als Sohn von Leuten, die weder lesen noch schreiben konnten, am Stadtrand von Birmingham, Alabama. Er sagte, er wäre mit dreizehn

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