Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman
Wänden passten.
»Erst mal eine«, sagte ich.
»Sechsunddreißig sechsundneunzig pro Nacht inklusive Steuer«, sagte der unfassbar dünne Junge mit dem unglaublich langen Gesicht. »Zwei Nächte Minimum. Die zweite Nacht ist eine Kaution für mögliche Schäden. Das macht dreiundsiebzig zweiundneunzig. Nur bar, keine Schecks.«
»Und wenn ich Ihnen eine Kreditkarte geben würde?«
»Häh?«
»Vergessen Sie’s.«
»Zehn Dollar zusätzlich«, leierte der Junge sein Sprüchlein weiter herunter, »wenn Sie Besuch empfangen.«
»Kein Besuch für mich«, sagte ich.
Bei diesen Worten musste ungewollt irgendein Gefühl mitgeschwungen haben, denn der Junge sah mich jetzt genauer an. Er schien mich gründlich zu mustern, doch ich machte mir keine Sorgen.
Er schob eine Klappe auf und legte einen Stift und ein Anmeldeformular auf den Kunststofftresen, schloss die Luke wieder, drückte auf einen Knopf und bedeutete mir, die Klappe auf meiner Seite zu öffnen. Ich füllte das Formular auf den Namen Carter mit einer Adresse in Newark, New Jersey aus, legte vier Zwanzig-Dollar-Scheine auf den Bogen und schob die Klappe wieder zu, die sich sofort von innen verriegelte.
»Der Rest ist für Sie«, erklärte ich dem Jungen.
Ich bekam kein freundliches Lächeln geschenkt, nicht einmal ein dankbares Nicken, aber das war mir egal.
Er schob mir die Schlüsselkarte für Zimmer 4B rüber und betätigte einen Schalter, der die Fahrstuhltür öffnete. Ich musste nicht mal auf den Knopf für den vierten Stock drücken. Auch das erledigte der Junge per Fernbedienung.
Ich kenne Kreuzfahrtkabinen der dritten Klasse, die größer sind als dieses Zimmer. Nur ein großes Bett, das Zentimeter vor einer furnierten Schiebetür endete, die zur Toilette führte. Wenn ich am Waschbecken stand, ragte mein Hintern in die Duschkabine, und um aus dem Fenster zu sehen, musste ich mich aufs Bett knien.
Erfreulicherweise hatten Jonahs Schläge zumindest keine sichtbaren Spuren hinterlassen, und es tat eigentlich auch gar nicht besonders weh. Ich schluckte zwei Aspirin, duschte, legte mich auf die Matratze, die hart war wie eine zusammengerollte Leinwand, und döste ein.
In dem zellenartigen Raum lief mein Traum sonderbarerweise anders ab. Wieder wüteten um mich herum Flammen, aber ich war nicht panisch. Mein Fleisch brannte, doch das blieb folgenlos. Als ich an die Scheibe kam, stieß ich sie einfach auf, mühelos. In dem blauen Himmel auf der anderen Seite stand der Junge von der Rezeption. Er öffnete den Mund, aber die Laute, die herauskamen, waren keine Wörter, ja nicht einmal menschlich. Es war eine Art elektronisches Rauschen, das langsam zu einem insektenartigen Summen anschwoll. Ichfragte mich, ob der Wecker klingelte, weil es Morgen war und ich die ganze Nacht geschlafen hatte. Aber ich hatte den Wecker gar nicht gestellt. Als ich mich aufrichtete, merkte ich, dass das Geräusch von einem Telefon kam, das auf der Fensterbank neben meinem Kopf stand. Das Summen verstummte, und ich fragte mich, wer mich wohl angerufen haben könnte. Dann ging es wieder los, und ich nahm den Hörer ab. »Hallo?«
»Mr. Carter?«
»Wer ist da?«
»Jimmy von der Rezeption, Sir.«
Sir?
»Ich hab mich bloß gefragt, ob Sie vielleicht Gesellschaft brauchen.«
»Was für Gesellschaft?«
»Sie wissen schon«, fuhr er fort, »ein Mädchen.«
Ein Mädchen. Jimmy rief an, um mir ein Mädchen anzubieten. Ich begriff, dass ich aus leichtem Dösen in tiefen Schlaf gefallen sein musste. Was die materielle Welt betraf, war ich noch ein wenig orientierungslos, aber im Kopf schon wieder durchaus luzide.
»Wie viel?«, fragte ich.
»Hundert Dollar für eine halbe Stunde«, sagte er. »Fünfhundert für die ganze Nacht.«
»Und wer zahlt die zehn Dollar für den Besuch?«
»Die Gebühr übernimmt das Mädchen.«
Ich schwieg einen Moment und wunderte mich, dass Jimmy in meinem Traum mitgespielt hatte und gleichzeitig am Telefon war, um ihn zu unterbrechen.
»Ich weiß nicht«, sagte ich.
»Sie sind alle sauber«, protestierte er. »Junkies lasse ich hier nicht rein.«
Ich hätte ihn fragen können, woher er wusste, dass ein Mädchen keine Einstiche zwischen den Zehen hatte, aber ich ließ es bleiben. Es war mir egal.
»Okay. Also gut. Aber ich will eine junge Schwarze«, sagte ich. »Wenn’s geht, hübsch, mit einer spitzen Zunge. Und sie muss schwarz sein.«
»Das lässt sich einrichten, Mr. Carter«, sagte Jimmy eifrig. »Geben Sie mir zwanzig,
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