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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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sagte ich. Heute hört sich das auch für mich komisch an, doch damals meinte ich es todernst.
    »Ich auch«, erwiderte Hush, »aber dieser Mann hat versucht, dich zu ermorden. Das bedeutet Todesstrafe.«
    »Es ist vorbei.«
    Vielleicht was mich betraf. Aber in Hushs Nervensystem war der Mordimpuls ausgelöst worden, und es brauchte seine Zeit, ihn ausdampfen zu lassen. Ich stand vollkommen still, während der hagere Händler des Todes den Dämon wieder in seine Knochen sinken ließ.
    Ich glaube nicht, dass Timothy Moore einen Atemzug machte.
    »Ruf deinen Freund LouBob an«, sagte Hush zu Tim. »Frag ihn, was du seiner Meinung nach machen sollst, jetzt, wo du noch lebst, obwohl du tot sein solltest ... Wir sehen uns unten.« Hushs letzte Worte waren an mich gerichtet.
    Er ging hinaus. Ich wartete einen Moment und wollte ihm gerade folgen, als mir noch ein Gedanke kam.
    »Hey, Tim.«
    »Was? Was?«
    »Das Bild auf dem Tisch.«
    »Was ist damit?«, fragte er mit einem Hauch von Stahl in der Stimme.
    »Ist das wirklich Margot?«
    »Ja.«
    »Sie hat Sie verlassen, was?«
    Er nickte.
    »Wegen einer Asiatin namens Annie?«
    »Ja.«
    Die Wahrheit ist immer die beste Art zu lügen.

47
    Für den Rückweg nahm ich auf dem Beifahrersitz Platz. Wir schwiegen beide den größten Teil der Fahrt, aber ein paar Blocks von meinem Haus entfernt begann Hush mit einer Stimme zu sprechen, die so tief war, dass sie unmittelbar aus dem Boden zu kommen schien.
    »Das war sehr unprofessionell.«
    »Ja. Ich weiß.«
    »Warum hast du mich ihn nicht töten lassen?«
    »Ich bringe keine Menschen um«, sagte ich. »Ich hab in meinem Leben vieles getan ... und manchmal sind am Ende auch Menschen gestorben. Aber heute will ich mit so was nichts mehr zu tun haben.«
    »Hast du zum Glauben gefunden?«
    »Nein«, sagte ich. »Mir ist nur eines Tages etwas klargeworden.«
    »Was denn?«
    »Es ist schwer zu erklären. Ich meine, es ist eher ein Gefühl.«
    »Was für ein Gefühl?«
    Er hielt am Straßenrand vor meinem Haus.
    »Es ist, als würdest du dich von hinten an jemanden anschleichen, den du umbringen willst«, versuchte ich, es in Hushs Sprache zu übersetzen – nehme ich zumindest an. »Du hast die Waffe auf seinen Hinterkopf gerichtet. Du fühlst dich innerlich kalt. Es ist bloß ein Job. Und plötzlich bist du nicht mehr der Mann, der die Waffe in der Hand hält, sondern der, der erschossenwerden soll. Und du hast keine Ahnung, dass jemand hinter dir steht und es dein ganzes eigenes Leben ist, das dich zu diesem Punkt geführt hat.«
    »Es ist also so, als würde man sich selber töten«, meinte der Mörder.
    Es fühlte sich an, als würde ich eine neugeborene Gottheit kurz vor der Himmelfahrt belehren.
    Hush starrte mich an und kniff die Augen zusammen.
    »Dann hat es sich da drin also so angefühlt, als würdest du mir das Leben retten?«, fragte er.
    »Und mir.«
    Hushs Lachen war freundlich, jungenhaft und beinahe albern.
    »Wir sehen uns, LT«, sagte er.
    Ich stieg aus dem Lincoln, und er rollte seines Weges.
    Vor der Tür unseres Hauses blieb ich stehen, stellte mir vor, in den zehnten Stock zu fahren, die Tür zu öffnen, meine Hose auszuziehen und ins Bett zu gehen. Dann sah ich mich mit offenen Augen in dem dunklen Schlafzimmer neben einer Frau im Bett liegen, die mich nie verstanden hatte, einer Frau, der ich nicht vertrauen konnte. Ich glaube, ich habe eine ganze Weile dort gestanden, bevor ich kehrtmachte und zu dem Parkhaus am Broadway ging.
    Ich klingelte mehrmals und musste trotzdem eine Viertelstunde warten, bevor der Nachtwächter sich von irgendeiner Rückbank aus dem Schlaf erhob.
    Auf dem Weg nach Coney Island versuchte ich, über Roman Hull nachzudenken. Er war der Patriarch des Clans, doch das Familienunternehmen wurde Poppy Pollis zufolge von Bryant geführt. Wieso sollte der alte Mann meine Ermordung in Auftrag geben? Steckte er hinter allen Morden? Und wenn ja, warum?
    Offensichtlich machte er so etwas nicht zum ersten Mal. Das ganze Arrangement war beinahe makellos. Moore konnte nicht beweisen, dass Hull ihn angerufen hatte, und danach hatte er nur mit einem seiner Untergebenen gesprochen. Das Telefon und das Geld ließen sich wahrscheinlich nirgendwohin zurückverfolgen.
    Das Geld. Ich hatte Hush angeboten, es mit ihm zu teilen, doch er hatte abgelehnt. Jetzt gehörte es mir. Wie mit der Pistole, die das Ich meiner Fantasie benutzt hatte, um einen (Selbst-)Mord zu begehen, hatte Roman Hull sich mit dem Geld in

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