Mann im Dunkel
zetert, er solle sich auf der Stelle aus der Wohnung scheren.
Ich habe gutes Geld bezahlt … fängt Brick an.
Für eine Nacht, brüllt Duke. Die Nacht ist vorbei, und jetzt verschwindest du.
Moment noch, Moment, sagt Brick und hebt zum Zeichen seiner friedlichen Absichten die Rechte. Molly hat mir ein Frühstück versprochen. Kaffee und Toast. Nur ein Schluck Kaffee, dann mache ich mich auf den Weg.
Kein Kaffee. Kein Toast. Kein gar nichts.
Und wenn ich Ihnen Geld dafür gebe? Ein bisschen was zusätzlich, meine ich.
Bist du taub?
Und mit diesen Worten beugt Duke sich vor, packt Brick am Pullover und reißt ihn hoch. Jetzt, im Stehen, hat Brick freie Sicht auf die Schlafzimmertür, und gerade als er dort hinblickt, kommt Molly heraus, knotet den Gürtel ihres Morgenmantels zu und fährt sich mit beiden Händen durch die Haare.
Lass das, sagt sie zu Duke. Du brauchst nicht grob zu werden.
Halt die Klappe, antwortet er. Du hast uns das eingebrockt, und ich beseitige es wieder.
Molly zuckt mit den Schultern und sieht Brick mit einem bedauernden Lächeln in die Augen. Entschuldigen Sie, sagt sie, es ist wohl besser, wenn Sie jetzt gehen.
Brick steigt in seine Schuhe, ohne sie erst umständlich zu schnüren, nimmt seine Lederjacke vom Fußende des Sofas, zieht sie an und sagt: Molly, ich verstehe das nicht. Ich habe Ihnen so viel Geld gegeben, und jetzt werfen Sie mich raus. Das gibt’s doch gar nicht.
Statt ihm zu antworten, sieht Molly zu Boden und zuckt noch einmal mit den Schultern. Diese teilnahmslose Geste trifft ihn wie ein Treuebruch, wie Verrat. Nun, da er keine Verbündete mehr hat, niemanden, der für ihn eintreten könnte, beschließt Brick, sich ohne weiteren Protest auf den Weg zu machen. Er bückt sich und hebt den grünen Rucksack vom Fußboden auf, aber kaum wendet er sich zum Gehen, reißt Duke ihm den Rucksack aus der Hand.
Was ist das?, fragt er.
Meine Sachen, sagt Brick. Was sonst?
Deine Sachen?, erwidert Brick. Das glaube ich kaum, du Komiker.
Was soll das heißen?
Dass die Sachen jetzt mir gehören.
Ihnen? Das können Sie nicht machen. Da ist alles drin, was ich besitze.
Dann hol’s dir doch wieder.
Brick erkennt, Duke ist auf eine Schlägerei aus – und der Rucksack dient ihm nur als Vorwand. Er weiß auch, dass er, wenn er mit Mollys Freund aneinandergerät, sehr wahrscheinlich in Stücke gehauen wird. Das jedenfalls sagt ihm sein gesunder Menschenverstand, als Duke seine Provokation gegen ihn ausstößt, aber Brick denkt nicht länger mit seinem Verstand, denn den lässt die Wut, die in ihm hochkocht, nicht mehr zu Wort kommen, und außerdem, wenn er diesen Rüpel jetzt einfach machen lässt, ohne ihm irgendwie Widerstand zu leisten, wird er sich nie mehr in die Augen sehen können. Also nimmt er die Herausforderung an, reißt Duke den Rucksack aus den Pranken, und schon ist eine Prügelei im Gange, allerdings so einseitig und von so kurzer Dauer, dass Brick nach nur drei Hieben seines Gegners am Boden liegt: eine Linke in den Bauch, eine Rechte ins Gesicht und ein Knie in die Eier. Schmerz schießt in sämtliche Winkel seines Körpers, und als der Zauberer sich nach Luft schnappend auf dem zerschlissenen Teppich wälzt, eine Hand auf den Magen gepresst und die andere um seine Hoden gewölbt, sieht er Blut aus der Platzwunde auf seiner Wange rinnen, und in der größer werdenden roten Lache neben seinem Kopf erblickt er einen abgebrochenen Zahn – ein Stück seines linken Schneidezahns. Mollys Schreie nimmt er nur undeutlich wahr, als kämen sie aus weiter Ferne. Und gleich darauf bekommt er gar nichts mehr mit.
Als er den Faden seiner Geschichte wiederaufnimmt, ist Brick auf den Beinen und manövriert seinen Körper die Treppe hinunter; mit beiden Händen ans Geländer geklammert, steigt er Stufe um Stufe hinunter ins Erdgeschoss. Der Rucksack ist weg, und damit auch die Pistole und die Munition, ganz zu schweigen von allem, was sonst noch in der Tasche war, doch als Brick stehen bleibt und in die vordere rechte Hosentasche greift, huscht der Anflug eines Lächelns über seine aufgeschlagenen Lippen – das bittere Lächeln des nicht vollständig Besiegten. Das Geld ist noch da. Nicht mehr die tausend, die Tobak ihm am Morgen zuvor gegeben hat, aber fünfhundertfünfundsechzig Dollar sind besser als nichts, findet er, jedenfalls mehr als genug, um sich irgendwo ein Zimmer und etwas zu essen zu besorgen. Weiter vermag er jetzt nicht zu denken. Ein Versteck suchen, das
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