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Mann im Dunkel

Mann im Dunkel

Titel: Mann im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Pause, und dann sagte sie, sie wisse nicht so recht, darüber müsse sie erst nachdenken. Ich beharrte nicht weiter darauf. Entscheidend war, ihr nicht zu sehr zuzusetzen. Ich kannte sie zu gut, und wenn ich sie jetzt gedrängt hätte, wäre aller Wahrscheinlichkeit nach ihr Widerstandsgeist erwacht. Wir beließen es vorläufig dabei. Ich sagte noch, sie solle gut auf sich aufpassen, und verabschiedete mich.
    Kein sehr verheißungsvoller Anfang.
    Wohl wahr. Aber es hätte schlimmer kommen können. Sie hatte die Einladung nicht ausgeschlagen, sie zweifelte nur, ob sie sie annehmen solle oder nicht. Eine halbe Stunde später klingelte wieder das Telefon. Natürlich will ich mit dir essen gehen, sagte Sonia. Sie bat um Entschuldigung, dass sie gezögert habe, aber ich hätte sie auf dem falschen Fuß erwischt, sie sei total durcheinandergeraten. Dann verabredeten wir uns, und damit begann ein langwieriger und heikler Tanz, ein Menuett aus Verlangen, Furcht und Unterwerfung, das sich über achtzehn Monate hinzog. Es brauchte viel Zeit, bis wir wieder ein gemeinsames Leben anfangen konnten, und obwohl wir es dann noch einmal einundzwanzig Jahre lang miteinander aushielten, kam eine erneute Heirat für Sonia nie mehr in Frage. Ich weiß nicht, ob du dir dessen bewusst warst. Deine Großmutter und ich haben bis zu ihrem Tod in Sünde gelebt. Die Ehe habe uns Unglück gebracht, meinte sie. Wir hätten es einmal versucht und wüssten ja, was passiert sei, wozu also einen zweiten Vorstoß wagen? Nachdem ich so hart um sie gekämpft hatte, fügte ich mich ihren Regeln gern. Ich machte ihr jedes Jahr an ihrem Geburtstag einen Heiratsantrag, aber das war nicht mehr als eine versteckte Botschaft, ein Zeichen, dass sie mir wieder vertrauen könne, dass sie mir in alle Zukunft vertrauen könne. Es gab so vieles an ihr, das ich nie verstanden habe, so vieles, das sie selbst nicht verstand. Ein zweites Mal um sie werben, das war kein Kinderspiel – hier der Mann und dort seine Exfrau, die Spröde, die ihm keinen Zentimeter entgegenkommen mag, die nicht weiß, was sie will und sich mal angezogen, mal abgestoßen fühlt, bis sie nach langem Zögern endlich nachgibt. Es dauerte ein halbes Jahr, ehe wir wieder miteinander ins Bett gingen. Beim ersten Mal lachte sie hinterher, bekam einen ihrer seltsamen Anfälle und kicherte und quiekte so lange, bis ich es mit der Angst zu tun bekam. Beim zweiten Mal weinte sie, schluchzte über eine Stunde lang in ihr Kopfkissen. So vieles war für sie anders geworden. Ihre Stimme hatte jene undefinierbare Eigenart verloren, die sie eben zu ihrer Stimme machte, jenen fragilen, kristallinen, ungezügelt schmachtenden Klang, den verborgenen Gott, der durch sie gesprochen hatte – das alles war jetzt nicht mehr da, und sie wusste es; trotzdem war es ein harter Schlag gewesen, ihre Karriere aufgeben zu müssen, und sie hatte sich noch immer nicht ganz damit abgefunden. Sie gab jetzt Gesangsunterricht, Privatstunden in ihrer Wohnung, und immer wieder kamen Tage, an denen sie mich einfach nicht sehen wollte. Dann wieder rief sie völlig verzweifelt bei mir an: Komm, komm sofort, ich muss dich sehen. Wir waren wieder ein Paar, wahrscheinlich enger miteinander verbunden als zur Zeit unserer Ehe, aber sie bestand darauf, dass jeder von uns sein eigenes Leben führte. Ich wollte mehr, aber sie gab nicht nach. Sie wollte diese Linie nicht überschreiten, und dann, nach anderthalb Jahren, geschah etwas, und plötzlich war alles anders.
    Was denn?
    Du.
    Ich? Wie meinst du das: ich?
    Du wurdest geboren. Deine Großmutter und ich nahmen den Zug nach New Haven, und wir waren dabei, als bei deiner Mutter die Wehen einsetzten. Ich will weder übertreiben noch allzu sentimental wirken, aber als Sonia dich zum ersten Mal in den Armen hielt, warf sie mir einen Blick zu, und ihr Gesicht – ich gerate hier ins Stocken, muss nach den richtigen Worten suchen – ihr Gesicht … leuchtete. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie lächelte, lächelte und lachte, und es sah aus, als leuchte sie von innen. Ein paar Stunden später, nachdem wir ins Hotel zurückgegangen waren, lagen wir im Dunkeln auf dem Bett. Sie nahm meine Hand und sagte: Ich möchte, dass du zu mir ziehst, August. Sobald wir wieder in New York sind, möchte ich, dass du bei mir einziehst und mich nie wieder verlässt.
    Ich war der Auslöser.
    Richtig. Du warst es, die uns wieder zusammengebracht hat.
    Na, dann habe ich in meinem Leben ja wenigstens eine

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