Mann meiner Sehnsucht (German Edition)
hatte sie geschluchzt und das vergilbte Papier wütend mit den Händen zerknüllt, “aber niemand hat mir geglaubt.” Oh Gott, das Leben war so ungerecht!
Hope seufzte. Es war auch ungerecht, dass sie das Lesen nicht erst einmal für sich alleine üben konnte, bis sie sich wieder sicherer fühlte. Auch wenn sie die Geschichte früher geliebt hatte, konnte sie Robinson Crusoe so nichts abgewinnen.
Wütend klappte sie das Buch zu und erhob sich.
“Ich bin müde”, verkündete sie dann. “Ich gehe ins Bett.”
Gabriel sah sie an. “Was? Es ist gerade erst Mittag.”
“Na und?”, meinte Hope schnippisch und eilte an ihm vorbei. Sie glaubte sein leises Lachen zu hören und zog wütend den Vorhang vor ihrem Bett hinter sich zu. Wie gerne hätte sie eine Tür gehabt, die sie zuschlagen konnte, aber diesen Luxus hatte sie hier leider nicht. Mit fest zusammengepressten Lippen warf sie sich aufs Bett und starrte an die Decke. Hier, im hinteren Teil der Hütte, war es fast finster, beinahe so, als sei wirklich schon Nacht. Dabei hatte Gabriel recht: Es war gerade erst Mittag. Mit den geschlossenen Fensterläden spendeten das Feuer im Kamin und die kleine Petroleumlampe, die sie zum Lesen neben sich auf dem Tisch stehen hatte, das einzige Licht.
Obwohl der Sturm sich verzogen hatte, goss es bereits seit drei Tagen ununterbrochen wie aus Eimern. Abgesehen von kurzen, hastigen Besuchen zur Toilette, hatte keiner von ihnen einen Fuß mehr als nötig vor die Tür gesetzt. Die Pferde standen im Trockenen und hatten genug zu fressen, und auch den Bewohnern der Hütte mangelte es an nichts.
Nun an nichts, bis auf Abwechselung.
Seit drei Tagen waren sie eingesperrt, und während Gabriel offensichtlich keine Probleme damit hatte, sich selbst zu beschäftigen, fiel Hope bereits nach dem ersten Tag die Decke auf den Kopf.
Nervös wie ein Tiger im Käfig war sie auf und abgelaufen, bis Gabriel sie halb im Spaß, halb im Ernst angefleht hatte, sich endlich hinzusetzen. Hinsichtlich des letzten Fiaskos, verzichtet Hope wohlweislich auf Kartenspielen. Also war Gabriel auf die Idee gekommen, ihr das Lesen beizubringen. Anfangs war auch Hope davon überzeugt gewesen, das sei ein guter Einfall, aber nachdem sie auch am zweiten Tag noch keine sichtlichen Fortschritte gemacht hatte, begann sie allmählich zu verzweifeln.
Dabei kannte sie das Buch doch. Wieso nur fiel es ihr so schwer, die Buchstaben in die richtige Reihenfolge zu bringen? Gabriel hatte schnell gemerkt, dass sie ihm anfangs die Geschichte, so wie sie sie noch in Erinnerung hatte, erzählte, anstatt sie tatsächlich abzulesen. Er hatte behauptet, sie würde sich nur selbst betrügen, und darauf bestanden, dass sie richtig las.
Nun, mit welchem Ergebnis hatten sie ja beide gesehen. Sie hoffte, dass er zufrieden mit sich war, sie derart gedemütigt zu haben und fühlte, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten.
“Hope?”
“Gehen Sie weg.”
“Verdammt, Hope, kommen Sie raus.”
“Warum? Damit Sie sich auf meine Kosten noch weiter amüsieren können? Nein, vielen Dank. Mein Bedarf für heute ist gedeckt.”
Sie keuchte erschrocken auf, als der Vorhang zur Seite gerissen wurde und Gabriels Silhouette sich bedrohlich gegen den helleren Hauptraum abzeichnete.
“Was fällt Ihnen ein!”, rief sie empört und wollte den Vorhang wieder zuziehen. Gabriel hielt ihn fest.
“Ist es das, was Sie von mir glauben?”, wollte er wissen. “Dass ich mich über Sie lustig mache?”
Er klang wütend, aber Hope war viel zu sehr in ihr Selbstmitleid versunken, um dem Beachtung zu schenken.
“Weshalb denn sonst?”, maulte sie.
“Ist es Ihnen schon einmal in den Sinn gekommen, dass ich Ihnen helfen will?”
Hope schnaubte verächtlich. “Ja, sicher.” Sie warf sich auf die Seite und drehte ihm demonstrativ den Rücken zu, damit sie ihn nicht länger ansehen musste und er sie endlich in Ruhe ließ.
“Dann versinken Sie doch in Selbstmitleid”, hörte sie ihn sagen. “Blasen Sie Trübsal. Aber hören Sie endlich auf, ständig so zu tun, als wollten Sie keine Hilfe, als würden Sie alles allein schaffen. Die größten Probleme, die Sie unmöglich allein bewältigen können, gehen Sie an wie ein wütender Stier, aber bei den kleinen Hindernissen, die Ihnen im Weg stehen, und die Sie ohne fremde Hilfe mit Leichtigkeit meistern könnten, werfen Sie beleidigt die Flinte ins Korn, weil Sie glauben, jemand könnte Sie auslachen. Ich weiß nicht, wie Sie bisher Ihr Leben
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