Mann meiner Sehnsucht (German Edition)
den Zehen eines nackten Fußes zeichnete sie unsichtbare Muster auf den Boden. War sie etwa nervös? Fast hatte es den Anschein, als sei Hope verlegen. Täuschte er sich, oder überzog eine sanfte Röte ihre Wangen?
“Ich gehe also mal davon aus, dass Sie hinausgehen wollen”, stellte er fest und nahm ein frisch gewaschenes Hemd aus dem Regal, wohin Hope es, sorgsam zusammengefaltet, gelegt hatte. Er hatte sich erboten, ebenfalls im Wechsel mit ihr die Wäsche zu machen, aber davon hatte Hope nichts hören wollen.
“Darf ich?” Ihre Augen leuchteten voller Begeisterung auf, und Gabriel grinste angesichts soviel Eifer.
“Sie fragen mich doch sonst nicht um Erlaubnis. Warum also jetzt?”
“Nun ja…”
“Sollten Sie beabsichtigen, auch nur in die Nähe der Mine zu gehen, ist meine Antwort: Nein.”
“Aber Mister McKinlay, nur einen einzigen Blick. Nur ein paar Meter. Nur um zu sehen…”
“Hope. Ich sagte: Nein, und ich meinte: Nein. Nicht ein paar Schritte und auch nicht wenige Meter. Es ist zu gefährlich.”
“Aber vielleicht hat der Regen die Ader…”
“Nachdem, was Sie mir erzählt haben, liegt die Ader viel zu tief, als dass sie sie vom Eingang aus sehen könnten. Viel wahrscheinlicher ist es, dass der Regen die Stützbalken gelockert hat.”
“Aber die Balken haben schon mehr als zehn Jahre gehalten!”
“Das spielt überhaupt keine Rolle. Wir werden die Mine erst wieder betreten, wenn sich das Wasser verzogen hat und der Boden zumindest halbwegs trocken ist.”
Trotzig schob Hope ihre Unterlippe vor und wenn es nicht so ernst gewesen wäre, so stellte Gabriel zu seiner großen Überraschung fest, hätte er ihr am liebsten nachgegeben, so hinreißend sah sie in diesem Moment aus.
“Hope, ich möchte, dass Sie mir Ihr Wort geben.”
Etwas von der Ernsthaftigkeit in seiner Stimme musste sie erreicht haben, denn sie gab ihren trotzigen Gesichtsausdruck auf.
Erstaunt stellte Hope fest, dass Gabriel anscheinend ihr Wort akzeptieren würde. Das hatte noch nie jemand getan. Sie war ein Neutrum gewesen, ein Niemand ohne eigene Rechte, ohne Stolz und ohne Ehre. Niemand wäre je auch nur auf die Idee gekommen, Hope Grangers Wort für irgend etwas zu akzeptieren, aber Gabriel McKinlay tat es ganz offensichtlich.
Sie reckte ihre Schultern und sah ihn an. Dann nickte sie feierlich. “Also gut. Ich werde die Mine nicht betreten.”
Gabriel nickte beruhigt und wandte sich ab.
Verblüfft starrte Hope auf seinen Rücken.
“Wie”, fragte Hope, “das war schon alles? Sie glauben mir einfach so? Ich muss nicht auf die Bibel schwören oder so was?”
Ruhig sah Gabriel sie an. “Wozu soll das gut sein? Sie haben mir Ihr Wort gegeben, Hope. Wenn Sie sich schon nicht an Ihr Wort gebunden fühlen aufgrund Ihrer Ehre, wie kann ich dann erwarten, dass Sie es aufgrund eines Buches tun.”
Damit marschierte er hinaus, um zu frühstücken.
Motte war nicht zu halten. Drei Tage des Eingesperrtseins hatten die kleine Katze in ein Energiebündel verwandelt, das nicht zu bremsen war. Schon während der letzten Tage war deutlich zu spüren gewesen, dass das Tier, mehr noch als Hope, begann, unter Hüttenkoller zu leiden. Wie tobsüchtig war sie immer wieder über den Boden gefegt, hatte versucht, ihre Menschen mit rasant geschlagenen Haken zu Fall zu bringen oder hatte sich ganz einfach daran gemacht, alles, dessen sie habhaft werden konnte, zu zerstören. Einzig wenn sie im Verschlag bei den Pferden war, wo sie jagen und auf Beute lauern konnte, oder wenn Hope mit ihr gespielt hatte, hatte sie keinen Unsinn angestellt, aber nun war sie ebenso froh wie Hope, endlich die Enge ihres Heims verlassen zu können.
Der Platz vor der Hütte war mit Pfützen übersäht. Auch wenn die Luft nach dem Gewitter und während des nachfolgenden Regens kühl und erfrischend gewesen war, begannen die Temperaturen bereits wieder zu steigen. Tiefhängende Wolkenfetzen glitten an den steilen Berghängen entlang. Nebelschleier hingen wie wabernde Geister über den kleinen künstlichen Seen, und Motte sprang erschrocken fauchend zur Seite, als Hope mit beiden Beinen voran in eine Pfütze sprang, so dass das schlammige Wasser nach allen Seiten spritzte.
“Stell dich nicht so an, Angsthase”, lachte Hope übermütig und sprang weiter zur nächsten Pfütze.
Gabriel beobachtete sie lächelnd von der Tür her. Kaum zu glauben, dass eigentlich schon erwachsen war, wie sie dort ausgelassen durch die Pfützen tollte. Andere
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