Mann mit Anhang
war
riesengroß. Und natürlich war es ein Platz an der Sonne, der beste, der im
Hause Gutting zu vergeben war.
Jacky mußte notgedrungen auf
den zweiten Platz rücken. Er fühlte sich angewidert von dem ganzen Theater.
Manchmal hob man ihn hoch und ließ ihn aus der Entfernung in ein himmelblau
ausgeschlagenes Bett hineingucken, darin etwas Merkwürdiges lag, ein rosa
Fleischklümpchen. Es roch nicht nach Tier und nicht nach Mensch und leider auch
nicht nach Kalbsknochen. Es roch wie lebendiger Reisbrei. Fad! Aber sobald man
es genau beschnuppern wollte, hoben die Leute ein Geschrei an und rissen einen
weg, wie wenn man sich an einer Kostbarkeit vergreifen wollte. »Pfui, Jacky,
laß das!«
Na schön, man ließ >das<.
Aber der Wirbel um >das< verdroß ihn und trieb ihn doch immer wieder hin
zu dem kleinen Bett, dessen Inhalt sich mit einiger Geduld ja in Gottes Namen
einmal analysieren lassen mußte.
Als Nico Zwo fünf Monate alt war
und bereits Spielsachen aus seinem Bett feuerte, hatte Jackys Forschungsarbeit
schon bedeutende Fortschritte gemacht. Zwei Dinge standen fest: aus dem Inhalt
jenes Gitterbettes würde sich weder eine Katze entwickeln, die man — ui fein! —
auf die Vorhangstange jagen konnte, noch war es eßbar. Das Ding fing an, nach
Mensch zu riechen.
Und Jacky fing an, es zu
lieben.
Die Sachen, die aus dem
Bettchen flogen, durfte er zwar nicht aufheben, denn auch sie waren, wie das
Ding selbst, >pfui Jacky<, aber im großen und ganzen nahmen die
Geschehnisse einen erfreulichen Lauf. Er durfte mit Angelika Kurz, die das Ding
im Kinderwagen vor sich her schob, viel spazierengehen, und er durfte auch mal
allein neben dem Wagen sitzen und ihn bewachen. Vielleicht konnte man sich
eines Tages einmal mit dem Ding am Boden herumbalgen. Abwarten!
Paul Uckermann kam fast jeden
Tag >mal schnell vorbeischauen< und blieb zwei Stunden. Er war begeistert
über den Nachwuchs und schloß Nico, der ihm diesen prächtigen Patensohn
vermittelt hatte, in sein Herz. Nico Zwo war auch wirklich ein Prachtbaby. Er
hatte die roten Haare der Mutter und die schwarzen Augen mit den langen,
geschwungenen Wimpern des Vaters geerbt. Auch die Stimmtüchtigkeit und die
Freude an der großen Geste hatte er von den Orlanos übernommen. »Und von mir
das Malerauge«, erklärte Uckermann mit Überzeugung, als er eines Tages mit
Ronald am Kinderbett stand. »Sieh doch, wie richtig er die Entfernung bereits
abschätzt, wenn er nach meinem Finger greift. Andere Kinder in diesem Alter
greifen daneben. Das ist direkt auffallend. Er hat Sinn für Perspektive.«
»Von mir hat er natürlich
nichts geerbt«, sagte Ronald etwas verbittert. »Ich kratze einmal ab, ohne die
leiseste Spur auf dieser Erde zurückzulassen.«
Einmal, als Ronald sich unbeobachtet
wußte, hielt er das strampelnde Wunderkind auf dem Schoß und gestattete Jacky
endlich, mit der Nase die in blauer Wolle eingepackten Speckbeinchen zu
beschnuppern. Jacky war entzückt und erschrocken zugleich. Tatsächlich ein
kleiner Originalmensch! »Riech noch mal, Jacky, aber sage niemand was davon.
Bleibt unter uns Männern.«
Er drückte Nico Zwo voll
Inbrunst an sich. Komisch, Großvater zu sein, ohne je wirkliche Vaterfreuden
erlebt zu haben!
11
Als Nico Zwo ein Jahr alt und
seine Eltern bereits ein sehr gefragtes Fotografenteam geworden waren, geschah
es: Schwager Hüsli hatte einen ganz großen, sehr verlockenden Auftrag für Nico
und Goggi, dringend, unaufschiebbar! Dieser Auftrag würde sie zuerst durch
Portugal, dann nach Nordafrika und später durch ganz Südspanien führen,
Reisedauer etwa drei Monate.
Nico Zwo war im Wege.
Große Zweifel, großer Jammer,
denn Goggi konnte es sich einfach nicht vorstellen, sich drei Monate von ihm zu
trennen. Das wären ja 2160 Stunden! Andererseits mußte ein ehrgeiziges,
berufstätiges Ehepaar solche Trennungsstriche ziehen können. Tragik unserer
Zeit. »Schau, wir könnten auch Filmstars mit einem Hollywood-Vertrag sein«, gab
Nico zu bedenken.
»Ja. Oder Tiefseeforscher, die
von den Haien gefressen werden«, entgegnete Goggi bekümmert. »Kannst du nicht
allein fahren?«
»Ausgeschlossen, du weißt —«
Ja, sie wußte. Sie hatte sich
leider unentbehrlich gemacht, nicht nur als seine Assistentin und die
geschickte Verfasserin von Texten für die Bildserien, sondern auch als seine
Frau.
Er wollte nicht ohne sie sein,
keine Woche, keinen Tag. Und er sah auch so unverschämt gut aus und hatte so
eine reizende
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