Mann mit Anhang
Art mit Frauen. Goggi würde sich zerfressen vor Eifersucht, wenn
sie sich Nico allein in der Welt umhergondelnd vorstellte.
Er murmelte, das Gesicht an ihr
Haar gepreßt: »Also fahren wir. Wir haben sowieso noch eine Hochzeitsreise gut,
Flitterwochen.«
»Ich will Papas Ansicht hören.«
Ronald fand, daß wer A sagt,
auch B sagen müsse. Wenn Goggi sich schon zur Berufspartnerin ihres Mannes
gemacht habe, gehöre sie bei diesem wichtigen Auftrag auch an seine Seite. »Und
außerdem haben wir ja die unübertreffliche Angelika.«
Schwester Angelika war wirklich
ein Schatz. Unermüdlich, immer freundlich und mit einem besänftigenden Einfluß
auf den ungebärdigen Nico Zwo, war sie bereits ein Stück der Familie geworden.
Ronald Gutting, der ewige Zuspätkommer, sonnte sich in Goggis jungem Glück.
»Fahr hin, meine Tochter, Angelika, die Muhr, Jacky und ich werden Heim und
Kind hüten.«
Goggi weinte Vorschußtränen.
»Ich kann nicht...« schluchzte sie und packte im Geiste die Shorts und Blue
jeans, den Benzinkocher, das Zelt und den übrigen Kram bereits ein. Ihre
sommerlichen Abendkleider mußten mitgenommen werden, denn man würde ein paar
Tage wie ein Vagabund und dann wieder in erstklassigen Hotels leben. Das
Abenteuer, mit Nico eine kombinierte Liebes- und Berufsreise zu machen, lockte.
»Ich werde daran zugrunde gehen, ich wollte doch Nico Zwos erste Schritte
erleben!«
Ronald zuckte die Schultern.
»Wenn der Lausebengel nicht so faul wäre, könnte er längst laufen.«
An einem schwülen Junimorgen
fuhren sie ab. Ihren ersten Stop sollten sie bei Berthold Hüsli in Montreux
machen. Zwei Tage Aufenthalt mit eingehenden Besprechungen der Reiseroute. »Und
außerdem will ich bei meinem Schwager gleich mal ordentlich Vorschuß fassen.«
»Ja. Und ich werde deiner
Schwester aus der Hand lesen, ob sie einen Jungen oder ein Mädchen bekommt.«
Francesca erwartete ein Baby. Bei den Orlanos legte man Wert darauf, daß die
Bambinos pünktlich und zahlreich erschienen.
Auch Goggi und Nico hatten
dafür gesorgt, daß ihr Sohn bald ein Geschwisterchen bekäme. Aber man sah es
Goggi noch nicht an, und vorläufig hütete sie ihr Geheimnis noch. Sie setzte
sich in dem langgestreckten roten Wagen, den sie seit einer Weile besaßen,
zurecht und wischte sich unter der dunklen Brille die Augen.
Alle standen am Gartentor und
winkten, Ronald, Fräulein Muhr, die zu dieser feierlichen Gelegenheit das
Grünspankleid angezogen hatte, das Mädchen Maria, Angelika mit dem kreischenden
Nico Zwo auf dem Arm und Jacky, dem der Bart vor Fahrleidenschaft zitterte. Er
wäre gern in dem roten Auto, das so wunderbaren Spektakel beim Starten machte,
mitgefahren.
»Kommt gesund wieder!« schrie
Ronald. Er hatte plötzlich Angst, daß etwas passieren könnte.
Tatsächlich passierte auch was.
Es platzte jedoch kein Vorderreifen, und niemand fuhr dem Wagen mit der
Münchner Nummer in die Flanke. Er stürzte auch nicht auf einer der
halsbrecherischen Küstenstraßen ins Meer, es handelte sich um einen
psychologischen Unfall, den Goggi erlitt, kaum daß sie nach ihrer Afrikatour
wieder europäischen Boden betreten hatten. Goggi wurde von einer Art Sucht
befallen, von der peinigenden Sehnsucht nach Nico Zwo, die durch keine ärztliche
Injektion und kein Zureden ihres Mannes zu beheben war.
Sie begann, Ronald von
Teneriffa aus mit Telegrammen und verzweifelten, kostspieligen
Telefongesprächen zu bombardieren.
»Ich kann nicht mehr essen,
nicht mehr arbeiten und nicht mehr schlafen, ich will meinen Sohn sehen«, rief
sie pathetisch durchs Telefon. »Hörst du, Papa?«
Und Ronald antwortete: »Gewiß,
ich höre gut. Du brauchst gar nicht so zu schreien wegen der großen Entfernung.
Das macht alles der Draht.«
»Ich schreie nicht wegen der Entfernung.
Es ist mir so ums Herz.«
»Sprich, als seist du im
Nebenzimmer, es dröhnt sonst so schrecklich.«
»Papa, versteh mich doch.« Sie
wurde dringlich. »Hör zu, ich miete dir ein Haus, irgendwo hier unten an der
Küste zwischen Malaga und Valencia, Alicante oder so. Nico und ich sind rundum
in der Sierra, auch mal drüben bis Huelba und dann auch mal in Sevilla und
später auch ein bißchen weiter unten. Aber wir könnten euch dann wenigstens
besuchen, dich und Nico Zwo und Angelika. Du bist sowieso längst urlaubsreif,
du wirst hier unten das Paradies auf Erden haben.«
»Danke, ich eigne mich nicht
zum Paradiesbewohner, ich weiß das aus Erfahrung.«
Sie hörte gar nicht hin.
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