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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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Mutterschaft gefunden. Sie stand vor dem Spiegel und lachte sich
aus.
    Nico liebäugelte mit einem Sohn
und teilte diese Ansicht mit Vater Orlano, Ronald wollte ein Mädchen haben,
einen Ersatz für Goggi, Paul Uckermann beschränkte sich darauf, zu sagen: »Mir
ist es ganz piepe, ob du einen Buben oder ein Mädchen bekommst, Goggi, aber
entschließe dich für das eine oder andere hundertprozentig.« An dem Tage, an
dem Goggi von heftigen Wehen befallen wurde, hatte gerade Angelika Kurz ihren
Einzug im Guttingschen Haus gehalten. Es war der erste Juni und ein Sonntag.
Der Himmel lachte. Das Radio drehorgelte >Die süßesten Früchte<, die
Vögel konzertierten im Garten, und die Kirchenglocken läuteten.
    Nico und Ronald hatten Goggi
zur Klinik und dabei fast einen Radfahrer zur Strecke gebracht. Sie waren von
den Schwestern, der Hebamme und dem Arzt nur schwer zu verdrängen gewesen. »Vor
einer Stunde brauchen Sie gar nicht nachzufragen«, hatte man ihnen gesagt und
ihnen nahegelegt, die Klinik zu verlassen und unten ein wenig frische Luft zu
schöpfen.
    Goggi war bester Dinge. Sie
hatte ihre beiden Begleiter durch Worte des Trostes aufzurichten versucht.
»Seid tapfer, haltet euch. Seid Männer!« hatte sie ihnen nachgerufen, ohne
durch diesen munteren Ton über ihre Schmerzen hinwegtäuschen zu können. Kleine
Strähnen ihres roten Haares klebten ihr auf der feuchten Stirn.
    Jawohl, da gingen sie nun auf
der Straße auf und ab, hielten sich und waren Männer.
    »Hast du die Namensliste
dabei?« erkundigte sich Gutting.
    Nico suchte in seinen Taschen.
»Natürlich, irgendwo muß ich sie haben. Aber wir taufen ja nicht gleich.«
    »Gib her.« Ronald nahm Nico die
Liste aus der Hand. Er begann mit dem Bleistift rigoros zu kürzen. »Luise kann
weg. Und Fabian auch.« Er stach mit dem Bleistift ein Loch ins Papier. »Und wer
ist denn um Gottes willen auf Nora gekommen?«
    »Ich weiß nicht, ich glaube,
Paul Uckermanns Großmutter hieß so.
    »Das sieht ihr ähnlich«,
entgegnete Ronald grimmig und machte einen dicken Strich durch Nora.
    »Ich finde, es kann bleiben. Es
kommt von Eleonora. Eleonora ist ein hübscher Name. Eleonora Orlano, das klingt
doch wie eine Symphonie.«
    »Klingt wie ein Schmachtlied
aus den siebziger Jahren. Weg damit.«
    »Streich Heber Paula durch. Und
Markus.«
    »Markus finde ich sehr schön.«
    Sie stritten und feilschten um
die einzelnen Namen, und dabei verging ihnen die Zeit. Immer wieder blickten
sie an der Wand der Klinik empor, und plötzlich zeigte sich an einem geöffneten
Fenster die Schwester, die sie vorhin verjagt hatte. Tatsächlich: sie winkte
ihnen heraufzukommen.
    Ronald und Nico stürzten zum
Eingang, vergaßen ihre gute Kinderstube und machten sich gegenseitig den
Vortritt streitig, rannten die Treppe hinauf, stolperten durch den langen
Korridor und warfen die Schwester schier zu Boden, als sie aus dem Zimmer trat.
    »Oh, Pardon, Schwester.«
    »Ich gratuliere. Sie haben
einen Sohn. Acht Pfund schwer. Es ging sehr schnell und völlig glatt«, sagte
sie.
    Sie haben einen Sohn! Ronald
fühlte sich ebenso betroffen wie Nico. Er wurde rot bis unter die Haarwurzeln
vor Freude.
    Die Männer schüttelten sich
gegenseitig die Hände und gratulierten sich überschwenglich. »Und ich weiß
jetzt auch, wie er heißt«, sagte Ronald mit einem leisen Bedauern und Grollen
in der Stimme. »Wir haben es auf unserer Liste vergessen. Er wird natürlich
nach dir genannt, Nicolo. Oder zu deutsch Nikolaus. Nico Zwo, um Verwechslungen
auszuschalten.«
    Nicos Augen, noch schwärzer als
sonst, noch brennender und jetzt von einem merkwürdigen Schimmer überglänzt,
strahlten. »Ich finde es keineswegs nötig, daß Söhne immer wie die Väter
heißen«, wehrte er ab, aber es geschah nur pro forma.
    Die Schwester stand mit ihrer
Hügelhaube wie eine riesige Friedenstaube zwischen ihnen. »In einer
Viertelstunde, wenn er gebadet und gewickelt ist, können Sie ihn sehen.«
    Die beiden Männer reckten die
Brust heraus und standen stramm. »Fein, großartig.« Sie fühlten sich beide
weich in den Knien. Ronald nahm Nico beim Arm. »Komm, ich habe eine Flasche
Whisky im Auto. Der Föhn macht einen ganz kaputt.«
    Nico Zwo stellte das Haus auf
den Kopf.
    Die Atmosphäre wurde
ausschließlich von den Grammen, die er trank und zunahm, von seinem Gebrüll,
seinem Schlaf, seiner Verdauung, seinem Lächeln und seinen Ausfahrzeiten
beherrscht. Er war winzig klein, aber der Platz, den er beanspruchte,

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