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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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Papa.«
    Ronald erwiderte trocken: »Es
ist nicht meine Jeannette, es ist Mr. Bonnards Jeannette.«
    »Ich weiß. Leider.« Sie hatte
begonnen, aus der Krume des Brötchens kleine Kugeln zu drehen, die sie mit dem
Finger über den Tisch schnippte. Ronald fing sie auf und rollte sie zurück.
»Warum leider?«
    »Na ja, eben so. Es wäre so
praktisch gewesen, wenn Jeannette frei wäre. Ich habe mir nämlich überlegt, daß
es gar nicht so übel wäre, wenn du wieder so eine Art Familie gründen würdest.
Ich wäre glücklicher, wenn ich dich unter der Haube wüßte. Gerade jetzt, wo
meine Ehe so drastische Formen annimmt.« Sie gab ihm einen schrägen Blick. »Du
weißt ja, wie so was geht.«
    »Was geht? Ich fürchte, ich
komme nicht ganz mit.«
    »Na ja, man heiratet und lebt
und liebt da so in den Tag hinein. Um es rundheraus zu sagen: Wir haben nicht
schon jetzt, wo wir doch noch im Aufbau von Nicos Beruf sind, mit so etwas
gerechnet.«
    Ronald wußte, was »so etwas«
bedeutete, sie brauchte gar nicht weiterzureden. Es fiel ihm jetzt auch wie
Schuppen von den Augen, warum sie so besonders weich und weiblich und reizvoll
aussah und warum sie vorhin die Zigarette ausgeschlagen hatte.
    »Wann?« fragte er nur.
    Goggi entblößte ihre schönen
regelmäßigen Zähne zu einem stolzen Lächeln. »Ende Mai.«
    »Also auf die Minute
pünktlich.«
    Ronald stand auf und schritt
langsam um den Tisch wie auf der klassischen Bühne im alten Griechenland, dann
breitete er die Arme feierlich aus. Auf ihn warteten nun also, nachdem ihm die
große Liebe versagt geblieben war, die stillen Großvaterfreuden. »Ich bin sehr,
sehr glücklich«, sagte er, während er ihr über das rote Haar strich, und weil
es so hölzern geklungen hatte, fügte er hinzu: »Da kommt Leben ins Haus.«
    »Wirst du es gern haben?«
fragte Goggi.
    »Das Baby? Selbstverständlich«,
erklärte er. »Es kann neben Jackys Korb sein Plätzchen haben.«
    Er sah im Geist über den
Zentralheizungen und Stuhllehnen Windeln hängen, er roch angebrannten Haferbrei
und Kamillentee, hörte das Baby wie eine zerquetschte Kindertrompete schreien,
vernahm das »Halt es doch mal einen Augenblick«, fühlte, wie man es ihm auf den
Schoß setzte und wie es dann warm und feucht auf seine Knie sickerte. Und das
Baby riß mit ungeduldigen Händchen an seinem Haar, das ja nun wirklich
allmählich in Ehren ergrauen konnte.
    »Nico ist völlig aus dem
Häuschen vor Freude.« Goggi sah ihn neugierig an. »Warst du auch so selig, als
du ein Baby bekommen hast?«
    Goggi war immer so inquisitiv
mit ihrer Fragerei. »Deine Mutter hat ein Baby bekommen, ich selbst hatte nie
eines«, sagte er, und damit kam er der Wahrheit sehr nahe. »Ich werde mal
sofort Angelika Kurz anrufen und ihr sagen, daß sie im Mai bei uns antreten
kann«, meinte er mit erzwungener Ruhe.
    »Wer ist Angelika Kurz?«
    »Eine Säuglingsschwester. Ich
habe sie schon vor Monaten für Mai festgenagelt. Ein sehr, sehr nettes
Mädchen.«
    »Wie du alles organisierst,
Papa! Und wie weitsichtig du bist!«
    »Na ja, man tut, was man kann.«
Er wischte sich die Stirn mit dem Taschentuch, denn ihm war heiß. »Wer heizt
denn in diesem verdammten Haus schon wieder wie besessen?« murmelte er.
     
    Das Leben geht weiter, sagte
sich Ronald. Niemals bleibt es stehen und macht Pause. Seine drei Briefe an
Jeannette waren unbeantwortet geblieben. Die erste Amsel sang. Das
Ostergeschäft lief bereits an, und Goggi wurde immer rundlicher und behäbiger.
Iß auch du, was dir schmeckt, sagte sich Ronald Gutting, werde ein rundlicher,
liebenswürdiger alter Herr, schließe eine Lebensversicherung für dein kommendes
Enkelkind ab, kümmere dich um deinen Betrieb, nimm am kulturellen Leben teil,
aber laß die Hände von der Liebe.
    Pünktlich zehn Minuten nach dem
Mittagessen erschien die Muhr mit dem Gesundheitstablett und brachte ihm ein
Glas Wasser und seine Pillen. »Danke, Fräulein Muhr. Sie sorgen so rührend für
mich.« Er schluckte die Pille und spülte sie mit Wasser hinunter. Manchmal
vergaß er, wofür er sie einnahm. Vor ein paar Wochen waren es Tropfen gewesen
und davor irgendein Tee. Was für ein Organ war eigentlich augenblicklich dran?
Die Galle? Oder die Leber? Das Herz? Seit er wußte, daß Goggi ein Kind
erwartete, unterzog er sich ärztlichen Untersuchungen. Die kommende
Großvaterwürde hatte wie ein Startschuß auf ihn gewirkt. Es war nun an der
Zeit, etwas für sich zu tun. Man war schließlich nicht mehr der

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