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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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»Und
alles für einen Pappenstiel, Meer, Sonne und schon zum Frühstück Langusten.«
    »Was glaubst du denn, willst du
mich umbringen? Langusten zum Frühstück! Mein Arzt wäre entsetzt.«
    »Und ein Weinchen,
unbeschreiblich! Und Nico Zwo wird braun wie eine Haselnuß. Und kann schwimmen
lernen und —«
    »Mit einem Jahr! Er ist doch
kein Hering. Du hast dir wohl einen Sonnenstich geholt.«
    Goggi ließ nicht locker. Sie
mußte Ronald zu der Reise überreden. »Ach, Papa«, meinte sie, »du wirst
allmählich alt, du hinkst der Zeit nach. Ich war immer so stolz auf dich, weil
du so jugendlich und so modern warst. Weißt du denn nicht, daß jetzt die
Säuglinge bereits schwimmen lernen, noch bevor sie laufen können? Komm, bitte!«
Goggi tobte und schluchzte.
    »Das ist wieder einer deiner
verrückten Einfälle.«
    Jetzt sprach sie ganz leise.
»Wir waren doch schon einmal so glücklich hier unten im Süden, Papa, weißt du
noch? Ich war damals fünfzehn und du —«
    »Ja, ja, ich weiß schon. Aber
damals war ich auch noch kein Großpapa, ich hatte noch keine Würden.«
    »Mach mal die Augen zu, Papa«,
kam es schmeichelnd aus der Sprechmuschel. »Stell dir den blauen Himmel und das
blaue Meer vor und den Ifach. Man spricht ihn Ifatsch, eine ganz verrückte
Felsnase, weißt du. Und dann der heiße Sand und die wunderbaren Streifzüge am
Abend ins Land hinein. Am Abend ist alles süßlila hier. Die Mandeln, die wir
von der Erde auflesen, die Brotbäume. — Und weißt du noch, die Männer mit den
Gitarren.«
    »Ich komme, offen gestanden,
noch eine Weile ohne Männer mit Gitarren aus.«
    »Und die wunderschönen Mädchen,
die Dorfschönen auf ihren Eseln. Und ich. Mich hast du doch auch sechs Wochen
nicht mehr gesehen.«
    »Ja, ja, ich weiß das alles«,
sagte er schwach. Er brauchte auch die Augen gar nicht zuzumachen, um Sehnsucht
nach Spanien zu bekommen. Es genügte ihm ein Blick durchs Fenster in den
verwaschenen, grauen Garten hinaus. Der Alltag triefte von den Bäumen. In
München regnete es seit vierzehn Tagen, und die Menschen schützten sich durch
Wolljacken vor dem sogenannten Sommer und durch Bier vor der Verzweiflung. »Ich
wüßte wirklich nicht, wie ich mich frei machen sollte«, meinte er, sich
räuspernd. Mein Gott, ihm wurde ganz schwindelig bei der Vorstellung, das viel
zu große, viel zu menschenleere Haus eine Weile hinter sich zu lassen und der
Gutting Kosmetik KG mit ihren Bürostühlen, ihren klappernden Schreibmaschinen,
den bis zum Erbrechen durchgekauten Werbetexten, dem täglichen Kleinkram und
den vielen Montagsgesichtern, dem Wochenendärger und der öden
Unterschriftsmappe ein Schnippchen zu schlagen. »Du weißt doch, wie eingespannt
ich bin.« Doch warum nicht Nico Zwo, Angelika Kurz und Jacky ins Auto packen
und einfach abhauen wie ein Zehnjähriger, der die Schule schwänzt? Sein innerer
Zwiespalt wuchs.
    »Soll ich das Haus mieten? Ich
habe durch einen Agenten eins an der Hand!«
    Goggi wartete bange Sekunden am
Telefon. Als er jetzt sprach, wußte sie, daß sie die Runde gewonnen hatte. Sie
merkte es an seiner Stimme und ließ ihn ungestört sich austoben. »Wie stellst
du dir denn das überhaupt vor? Wer erhält schließlich den ganzen Zirkus? Das
Haus und das ganze Drum und Dran. Glaubst du, das fällt mir in den Schoß?
Schließlich mache ich das ja alles nur für euch Kinder, für dich und für Nico.
Und überhaupt, einem Baby diese lange Fahrt zuzumuten!«
    »Wir könnten ja Millionäre sein
und unser Kind vom ersten Atemzug an um die ganze Welt schleppen, zu Wasser, in
der Luft und auf der Erde. Nico Zwo ist ein ganz fester Brocken, dem schadet
die Fahrt gar nichts. Und da gibt’s doch diese Netze fürs Auto, du weißt schon,
wie die Amerikaner sie für ihre Babies immer haben. Die Amerikaner sind
praktische Leute. Ich mache die Sache mit dem Haus also fest und telegraphiere
dir noch die genaue Adresse. Wann kommt ihr?«
    »Warte mal, heute ist Mittwoch.
Ich könnte allenfalls am Montag losfahren. Ich würde mir mit der Fahrt vier
Tage Zeit lassen und wäre dann Donnerstag drunten.« Er räusperte sich. »So ein
Blödsinn.«
    »Du bist wunderbar, Papa.« Sie
dämpfte ihre Stimme. »Ich hätte mir keinen großartigeren Papa wünschen können.«
Er hörte ihr leises Lachen, das er so sehr liebte. »Will Jacky mich noch
sprechen?«
    »Nein, Jacky und Nico Zwo
spielen mit meinem Hausschuh Baseball.«
    »Wie steht das Spiel?«
    »Drei zu Null für Jacky.«
    »Nico Zwo ist

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