Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
Vom Netzwerk:
ein
Schlappschwanz. Das muß anders werden. Adios, Papa!«
    »Auf bald.« Als er eingehängt
hatte, lächelte er grimmig. Die Zigarette, die er sich angezündet hatte,
brannte noch. Er marschierte mit ihr im Zimmer auf und ab und hielt sich selbst
eine Rede, um seine Niederlage zu rechtfertigen. »Ich bin mein eigener Boß, ich
kann Urlaub nehmen, wann und wie lang ich will. Oder?«
    Angelika Kurz, die im
Nebenzimmer beschäftigt gewesen war, kam an die Tür. »Hatten Sie etwas gesagt,
Herr Gutting?«
    »Ja, Angelika, gutes Kind.
Bereiten Sie alles vor, wir machen eine weite Reise nach Südspanien, Sie, Jacky
und ich. Den Jungen dürfen wir natürlich nicht vergessen. Und Kohlepillen, es
gibt immer Schwierigkeiten mit dieser ungewohnten Ölkost.«
    Eine halbe Stunde später setzte
er seinen Hut auf und machte mit Jacky seinen gewohnten Abendgang. Er hatte
plötzlich das Gefühl, als erwarte ihn in Spanien ein Abenteuer, eines, mit dem
er vor sich selbst renommieren konnte. Großväterchens zweite Jugend. Man war
eine gute Erscheinung und lag noch im Rennen.
     
    Nico Zwo überstand die
viertägige Fahrt in dem Babynetz ohne irgendwelche Schwierigkeiten. Ronald
bewunderte seine Landsknechtsnatur. Er schlug seinem Urgroßvater Uckermann
nach.
    Wo sich Gutting mit dem Baby
und der in Schwesterntracht gehenden Angelika zeigte, hielt man ihn für einen
Witwer mit seinem kleinen Sohn. Niemand vermutete hinter ihm einen Großpapa,
und er selbst sah sich nicht veranlaßt, diesen Irrtum richtigzustellen.
     
    Die Sonne tauchte hinter den
fliederfarbenen Bergen unter, als er in Altea anlangte. Ihr matter Schimmer
hing noch in den tief zur Erde sich neigenden Ästen der mächtigen Brotbäume,
die für Ronald etwas Alttestamentarisches hatten. Das Meer sah aus, als hätte
man das lichte Funkeln des Tages mit einem Gazeschleier überzogen.
    Und wieder, wie vor ein paar
Tagen im regennassen München, spürte Ronald: hier wird etwas höchst
Romantisches mit mir Vorgehen. Sein Herz schlug rascher.
    Er fand das Haus, das Goggi für
ihn gemietet hatte, wirklich einladend. Goggi und Nico würden in fünf oder in
acht Tagen hierher kommen und dann eine halbe Woche bleiben. Das Haus hatte
sechs Betten. Es lag auf einer kleinen, flachen Anhöhe, vor sich das Meer und
im Hintergrund die sanfte spanische Landschaft mit Weingärten und Mandelbäumen
und Oliven, mit den flachen, steingrauen Bauerngehöften und den
mildgeschwungenen Höhenzügen.
    Ronald gefiel dieses Haus auf
den ersten Blick. Auf der Terrasse standen verschnörkelte, altfränkische
Korbstühle mit Rasten für die Füße und kreuzgestickten Kissen. Er liebte das
Haus und alles, was dazu gehörte: die nicht gerade prunkvolle, aber solide
Einrichtung, den blühenden Oleander mit seinen bestaubten Blättern, das Bad mit
seinen schreienden Jugendstil-Kacheln und der ständigen Wasserarmut, die
bröckelnden Treppchen zum Meer hinunter und die schwarze Gestalt mit dem edlen,
sehr schmalen El-Greco-Gesicht, die sich Juanita nannte und zu dem Haus
gehörte.
    Juanita betreute die jeweiligen
Mieter. Sie war eine Dienerin ohne Demut und Untertänigkeit. Sie schritt voll
Stolz und Würde dahin und arbeitete unermüdlich, ohne sich von ihren Mühen
beugen zu lassen. Sie kochte großartig, sie wusch, putzte, plättete und nähte,
neigte bei jeder Begegnung den Kopf zu einem anmutvollen Gruß und trug Nico Zwo
mit der Gebärde einer Madonna in ihren Armen.
    Ronald kramte seine paar
spanischen Brocken zusammen, um ihr Komplimente über ihre Kochkünste zu machen
und ihr darüber hinaus noch ein paar andere hübsche Dinge über ihr Heimatland
zu sagen, und sie dankte ihm feierlich, obwohl sie kaum ein Wort verstand.
    Jacky war verliebt in Juanita.
Er sah nicht die Falten auf dem herben, schönen Gesicht der Sechzigjährigen, er
roch und schmeckte nur die vorzüglich bereiteten Früchte des Meeres. Jackys
Liebe war absolut käuflich.
    Auch Nico Zwo empfand die dunkle
Frau, an deren hochgesteckten, harten Haaren er mit seinen weichgepolsterten
Babyhändchen zerren konnte, als eine wunderbare Bereicherung seines
Bekanntenkreises. Er spürte die große, unmittelbare Wärme, die von ihr ausging,
und krähte, sobald er ihrer gewahr wurde.
    Bei seiner Ankunft hatte Ronald
eine Nachricht von Goggi vorgefunden: sie und Nico trieben sich augenblicklich
in Sevilla und Umgebung herum, sie würden dort noch einige Tage zu tun haben,
sich dann möglichst rasch an die Mittelmeerküste hinarbeiten und über

Weitere Kostenlose Bücher