Mann Ohne Makel
haben unseren Fall gelöst, jedenfalls soweit sich dieser Fall lösen ließ. Leopold Kohn war ein Serienmörder, er hat drei Mitglieder der Familie Maximilian Hollers auf dem Gewissen. Dem Kleinen und seinem Kindermädchen haben Sie das Leben gerettet.«
»Und was ist mit Enheim?«
»Die Kugel, mit der Kohn erschossen wurde, stammt aus derselben Waffe wie die Kugel, die die Rechtsmedizin bei Enheim gefunden hat. Und unser Zeuge, ein gewisser Mortimer, hat Herrmann Holler im Leichensaal identifiziert.«
»Leopold Kohn war kein Mörder im üblichen Sinn. Er war einer, der aus Verzweiflung tötete. Was immer Herrmann Holler im Einzelnen in der NS-Zeit angerichtet hat, wie groß immer sein Beitrag gewesen sein mag zur Ausrottung der Familie Kohn und anderer, wir werden es wahrscheinlich nicht herausfinden. Aber ich weiß, dass Herrmann Holler Leopold Kohn erst zerstört und schließlich ermordet hat.« Stachelmann hatte in den letzten Tagen lange nachgedacht. »Kohn ist zuerst ein Opfer. Herrmann Holler ist ein Killer.« Er wandte sich an Ossi. »Warum hat der alte Holler Enheim erschossen?«
»Wir wissen es nicht. Aber ich vermute, Enheim hatte das Erpresserspielchen satt.«
Carmen unterbrach ihn: »Also, ich stell mir das so vor. Enheim war knapp bei Kasse. Da kam er auf die Idee, bei Holler junior die Rückerstattung zurückzufordern. Also, diese seltsamen Rückzahlungen, die bei allen diesen Holler-Käufen vorkamen. Und Enheim hat sich wohl gesagt: Warum soll ich eigentlich nicht auspacken? Das kostet den Holler junior den Heiligenschein und mich meinen Ruf. Da habe ich weniger zu verlieren als der liebe Maximilian.«
»Die Sache ist wahrscheinlich umfassender«, sagte Stachelmann. »Es hat seit den späten dreißiger Jahren eine Gruppe von SS-Leuten und anderen Nazifunktionären gegeben, die haben auf eigene Rechnung arisiert.«
»Arisiert?«, warf Kamm ein.
»Die Juden beraubt, weil sie Juden waren.« Stachelmann ärgerte sich einen Augenblick. Er zog ein Stück Papier aus der Innentasche seines Jacketts und las vor:
»Helmut Fleischer, Karl Markwart, Otto Grothe, Otto Prugate, Johann-Peter Meier, Ferdinand Meiser, Gottlob Ammann waren Mitarbeiter der Hamburger Gestapo. Norbert Enheim war SA Standartenführer und ein hohes Tier in der Gauleitung der NSDAP. Sie haben zusammen geraubt und geplündert. Sie hatten einen Verbindungsmann in der Finanzverwaltung, einen gewissen Schirmer, auch der war beim schwarzen Orden. Der hat wohl dafür gesorgt, dass möglichst alle Unterlagen verschwanden, die den Raubzug hätten beweisen können. Der Schirmer war auch nach dem Krieg ein hohes Tier in der Finanzverwaltung.«
»Woher weißt du das?«
»Das ist doch einfach, ich habe ein bisschen herumtelefoniert. Der Schirmer wurde Ende der siebziger Jahre pensioniert. Er hat aber die Verbindung zu seinen Kollegen nie abreißen lassen. Mir hat er zwei Typen ins Archiv in Berlin vorausgeschickt, die sich als Beamte der Finanzbehörde aufspielten, mit allen Papieren und so weiter. Für Schirmer war das eine Kleinigkeit. Und ich tippe mal, die beiden Figuren haben was zu verlieren. Vielleicht leben sie ja in Häusern, die vorher Juden gehört hatten. Das müssen Sie noch rauskriegen, ich will damit nichts mehr zu tun haben. Ich wette, der Schirmer stellt sich dumm, und nachweisen können Sie ihm nichts. Ich wette auch, dass es den Peter Carsten, mit dem ich im Archiv gesprochen habe, gar nicht gibt. Aber zurück zu unseren Nazis. Sie hatten Helfer bei der Schutzpolizei. Die sorgte nämlich dafür, dass die Juden keine Sperenzchen machten, wenn sie in die Vernichtungslager deportiert wurden, ob direkt oder auf einem Umweg, etwa über Theresienstadt, spielt keine Rolle. Die Nazi-Mafia überlegte, was sie sich unter den Nagel reißen wollte. Und die Beute musste unter den Mittätern verteilt werden, das geschah wahrscheinlich, bevor eines der Opfer ahnte, was passieren würde. Wenn alles geklärt war, schickte man den Juden den Deportationsbefehl. Die Schutzpolizei sorgte dafür, dass den Opfern der Befehl ausgehändigt wurde, und dafür, dass auch alle die Fahrt in den Osten antraten. Schirmer vernichtete die Unterlagen in der Finanzverwaltung, sofern ihm die Engländer und Amis die Arbeit nicht abnahmen mit ihren Bombenangriffen. Ich sage nur Operation Gomorrha.«
»Wie bitte?«, fragte Ossi.
Stachelmann stutzte. »Das war das Stichwort für die Bombenangriffe im Sommer 1943, die Brandkatastrophe.«
»Ach so«, sagte
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