Mannerfreie Zone
weiß ich in dem Moment, in dem ich ihn sehe, dass der Kleinbus, der vor der Garage parkt, Chuck gehört.
„Monica ist da? Seit wann denn?“ Doch mein Dad läuft bereits auf das Haus zu.
Chuck ist der Erste, den ich treffe. Er umarmt mich lang und fest. Chuck ist nicht gerade ein kleiner Mann, er hätte zumindest warten können, bis ich meinen Rucksack absetze.
„Wie geht es dir, Eve? Ist alles im Lot?“ Chuck schaut mir in die Augen wie ein Therapeut. Wahrscheinlich wird er jede Sekunde seine Gitarre hervorkramen und zu singen anfangen.
„Wo ist meine Mom?“ Dann höre ich, wie sie kommt, Monica kommt hinter ihr her.
„Hallo Liebling.“ Mom umarmt mich. Sie fühlt sich knochig an. Sie zwingt sich, mich anzulächeln. In meinem Magen macht sich ein komisches Gefühl breit.
„Was ist los, Mommy, bist du krank?“
„Nein, nein, mir geht’s bald wieder gut, ganz bestimmt. Ich habe ein paar Häppchen gerichtet. Du magst doch Artischocken-Dip, oder, Eve?“ Sie huscht in die Küche. Ich starre Monica an.
„Seit wann bist du hier?“
„Hallo Eve, wie geht es dir?“
„Lass den Quatsch, Monica, seit wann?“ Chuck will etwas sagen, doch Monica legt ihm eine Hand auf die Schulter.
„Mittwoch.“ Mittwoch? Ich drehe mich zu meinem Vater um, der an seiner Hemdtasche rumfummelt. Normalerweise wären dort seine Zigaretten, aber heute hat er keine.
„Wieso sollte ich erst Freitag kommen, obwohl Monica schon seit Mittwoch da ist?“
„Eve, sei doch nicht so kindisch“, sagt diese bescheuerte Monica.
„Zeiten wie diese können sehr schwer für eine Familie sein, aber das Wichtigste ist, dass ihr zusammenhaltet“, sagt dieser bescheuerte Chuck. Danke für den Hinweis. Mein Dad zieht eine Schublade auf.
„Dad, tu das nicht“, kreischt Monica. „Du machst das doch so toll.“
„Was ist hier los, Dad? Warum rauchst du nicht mehr?“
„Eve, das ist doch gut so. Warum lässt du ihn nicht in Ruhe?“ Ich habe meiner Schwester keine mehr runtergehauen, seit ich sieben Jahre alt war, aber im Augenblick habe ich das Gefühl, dass ich es jeden Moment tun könnte. Natürlich kommt genau jetzt meine Mutter mit dem Dip und etwas Brot zurück und versucht, das Lächeln nicht zu vergessen. Monica und ich gehen auf sie zu, um ihr etwas abzunehmen.
„Ist schon gut, ich mache das schon.“ Meine Mom beginnt zu plaudern. Sie fragt mich nach Roseanne.
„Roseanne geht’s gut. Vielleicht hätte ich sie mitbringen sollen, aber ich dachte, es handelt sich hier um ein Familientreffen.“ Ich starre Monica und Chuck an.
„Eve, werde doch endlich erwachsen.“ Ich hasse meine Schwester. Es wäre an der Zeit, mich mit dem Kind in mir zu verbünden. Ich balle die Faust. Mein Vater räuspert sich. Wir verstummen.
„Mom, kannst du mir bitte sagen, was hier los ist?“ An Monicas Gesichtsausdruck kann ich erkennen, dass sie bereits Bescheid weiß, was bedeutet – und das ist noch viel schlimmer – dass Chuck es auch schon weiß. Natürlich ist es leicht, so erwachsen und vernünftig zu tun, wenn man schon weiß, was los ist.
„Also, zunächst mal Liebling, mir geht es wirklich gut.“ Ihre Stimme wird leiser. „Vor einiger Zeit habe ich einen Knoten in meiner Brust entdeckt.“
„Was? Wann?“
„Na ja, kurz vor Weihnachten.“
„Kurz vor Weihnachten? Das ist mehr als zwei Monate her! Warum hast du kein Wort davon gesagt?“
„Nun“, sagt meine Mom. Dann wird mir klar, dass sie es Monica gesagt hatte. Das kann ich nicht glauben. Sie hat Monica schon vor zwei Monaten davon erzählt. Das bedeutet, dass dieser fremde Hippie-Idiot über den Gesundheitszustand meiner Mutter eher Bescheid wusste als ich. Das tut weh. „Eve, wir wollten nicht, dass du dir Sorgen machst, du hast so viel um die Ohren.“
„Ach, und ich nicht“, sagt Monica beleidigt.
„Hey, zumindest hat dir jemand davon erzählt. Damit du deiner Hippie-Kommune Bescheid sagen und darüber nachdenken kannst, inwiefern deine seelische Gesundheit davon beeinträchtig werden könnte.“
„Halt die Klappe, Eve.“
„Du kannst doch nicht mal ohne Publikum auf die Toilette gehen.“
„Was soll das denn nun wieder heißen?“ Monica steht auf. Ich stehe ebenfalls auf.
„Das bedeutet, dass es sich hier um eine Familiengeschichte handelt und wir trotzdem ein Publikum haben. Mom nimmt normalerweise nicht einmal vor unserem Vater das Wort ‚Brust‘ in den Mund, geschweige denn vor diesem Art Garfunkel hier.“
„Eve, du bist ja völlig
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