Mannerfreie Zone
Arbeit. Mir ist schon ganz schlecht von der Fahrerei. Der Name des Fahrers hat keinen einzigen Vokal. Wie findest du das? Hast du schon mit Rob gesprochen?“ Tabitha klingt, als hätte sich völlig die Kontrolle verloren.
„Eve, hier ist Roseanne. Irgendein Typ, Rob King – Junge, Junge, ich glaube, das ist der, mit dem du gestern was angefangen hast – egal, er hat jedenfalls gerade hier angerufen. Er bittet dich, ihn zurückzurufen. Ich habe so getan, als ob ich nichts wüsste, weil ich dachte, es wäre dein Chef. Tut mir Leid.“ Wie hat er meine Nummer rausgefunden? Mein Telefon klingelt. Ich hoffe, es ist nicht er!
„Eve, warum hast du mich nicht angerufen?“ Tabitha braucht eine psychiatrische Behandlung. Die nächste Stunde verbringe ich damit, ihre Fragen zu beantworten, und zwar mit so leiser Stimme, dass der lauschende Brian nichts mitbekommt. Wir analysieren jedes Detail des Abends, das mir noch einfällt, aber Tabitha ist nicht wirklich zufrieden mit meiner fragmentarischen Erinnerung. Sie ist mies gelaunt, weil
Big C
bereits seit acht Uhr auf sie gewartet hat und Tabitha erst gegen Mittag hereinspaziert kam. Wir telefonieren bis etwa halb eins. Die meisten aus meiner Abteilung, zumindest die, die überhaupt kommen, erscheinen gegen eins. Alle sind mürrisch und sprechen nur im Flüsterton – sie hätten genauso gut zu Hause bleiben können. Es ist erstaunlich, wie wenige Menschen einen Kater aushalten können. Ich hingegen bin fröhlich und höflich, obwohl ich nicht ein einziges Mal die Gelegenheit habe, meinen Schreibtisch zu verlassen. Lacey ist nicht aufgetaucht (das ist sicher nicht gut für ihren Ruf). Ich sehe ein paar Mal auf dem Display, dass Rob mich anruft, aber ich nehme nicht ab, und er hinterlässt keine Nachricht. Jedes Mal, wenn ich sehe, dass er keine Nachricht hinterlässt, tut es mir Leid, dass ich nicht abgenommen habe. Ich nehme mir immer wieder vor, beim nächsten Mal dranzugehen. Doch dann tue ich es doch wieder nicht.
Um halb fünf schleichen sich die Mitarbeiter langsam wieder raus. Ich warte bis viertel nach fünf und verabschiede mich dann ebenfalls. Es ist mir den ganzen Tag über gelungen, Rob King aus dem Weg zu gehen (nun, zumindest die fünf Stunden, die ich gearbeitet habe). Ich muss endlich mal was Anständiges essen. Als ob sie meine Gedanken gelesen hätte, hat Roseanne einen großen Topf Griesbrei gekocht. Wir beide essen eine große Portion, dann ist uns schlecht. Wir legen uns auf die Couch und schlafen vor einem Fernsehfilm ein. Was für ein Freitag.
Ich werde nie wieder etwas trinken.
Meine Schwester taucht am Samstagmorgen gegen elf auf. Sie hat beschlossen „nur ganz kurz“ für ein paar Tage vorbeizukommen. Beim Anblick ihrer riesigen Tasche wird mir etwas mulmig zu Mute. Ich glaube, mein Kater ist noch nicht ganz weg.
Es ist nicht so, dass ich meine Schwester nicht liebe – das tue ich. Als wir klein waren, war sie keine von diesen konkurrierenden älteren Schwestern, die mein Selbstvertrauen zerstört hat, und sie war auch nicht übermäßig gemein zu mir. Schon in der Schulzeit war meine Schwester ein komischer Kauz. Sie war ziemlich altklug und nahm an Demonstrationen teil, während die meisten ihrer Schulkameraden lieber zu Football-Spielen gingen. Von ihren Mitschülerin wurde sie immer zum „größten Original“ nominiert, und das ist sie auch. Ich glaube, ich habe sie ein wenig enttäuscht, weil ich nie in ihre radikalen Fußspuren getreten bin. Im College hat sie dann plötzlich erklärt, dass sie jetzt Sozialistin sei. Ihre Katzen hat sie Sacco und Vanzetti getauft. Mein Vater bekam ein Magengeschwür.
Trotz allem benimmt sich meine Schwester immer noch wie ein kleines Kind. Ich habe den Eindruck, dass ich mit dem Leben besser zurecht komme als sie, denn seit fast einem Jahr habe ich einen Job, während sie permanent studiert oder als Freiwillige in einem verarmten Teil der Erde tätig ist. Sie ist gutherzig, wenn auch ein wenig desillusioniert. Sie wirkt verwirrt, als sie durch die Tür kommt, weil sie Probleme hatte, von der Penn Station hierher zu finden (zehn Blöcke Entfernung!).
Roseanne kommt aus der Küche, sie trocknet sich die Hände an einem Küchentuch ab und lächelt Monica an, die sie erst ein paar Mal gesehen hat. „Wie war die Reise?“
„Anstrengend. Und es ist mir nicht leicht gefallen, Chuck zu verlassen.“ Sofort wird mir klar, dass Monica während des ganzen Besuchs sehnsüchtig vor sich hinschauen und mir
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