Mannerfreie Zone
immer wieder denselben Kindern in die Arme. Die machen sich mittlerweile schon über mich lustig, weil nach und nach alle den Dreh raushaben und ebenfalls in der Mitte der Eisfläche zu fahren beginnen. Nur ich nicht. Ich hasse Kinder. Ich hasse es, lächerlich auszusehen.
Wie ich da so alleine meine Kreise ziehe, kann ich es nicht verhindern, an Rob und die Knutscherei auf der Party zu denken. Schon bekomme ich wieder dieses mulmige Gefühl im Bauch. Ich versuche mir vorzustellen, wie es wäre, mit so einem Mann auszugehen. Er ist nicht so ein Durchschnittstyp – ich meine, das ist er, aber irgendwie auch nicht. Auf jeden Fall ist das Ganze ziemlich beängstigend, und ich sollte gar nicht erst anfangen, mir Gedanken darüber zu machen. Ich will mir nicht zu viele Hoffnungen machen.
Schließlich ist die quälende Stunde rum, und Monica und Roseanne helfen mir von der Eisfläche. Ich bemerke, dass einige Kinder kichern. Monica und Roseanne sind total begeistert, sie kommen mir vor wie diese nervenden Redakteure, wenn sie davon erzählen, wie man beim Radfahren ein Hochgefühl bekommt. Was auch immer. Solange es nicht künstlich hergestellt wird, sollte es mir egal sein. Obwohl die beiden auf der Eisfläche offenbar alles im Griff hatten, soll ich ihnen jetzt sagen, wo wir als Nächstes hingehen können. Ich schlage Tiffany’s vor.
Auch davor hat sich eine Schlange gebildet – nur um hineinzukommen! Wie vor einer Diskothek betrachtet uns ein Türsteher von oben bis unten und wartet darauf, dass ein paar Leute gehen, bevor er uns hineinlässt. Am Besten gefällt mir bei Tiffany’s, dass man dort das Gefühl hat, alles erreichen zu können. Man weiß schließlich nie, wer gerade neben einem steht und wie viel Geld derjenige hat. Eigentlich müsste man diesen Ort ja hassen, weil er so versnobt ist, aber schließlich darf jeder hier herein, und deswegen gefällt es hier jedem. Ich wünschte nur, ich hätte genug Geld für die hübschen blauen Pakete.
Ich erwische Roseanne dabei, wie sie ein Gespräch mit einem echt süßen Typen aus Texas beginnt, also lasse ich sie alleine. Ich halte nach meiner Schwester Ausschau und fürchte schon, dass ihr der Konsumterror den Rest gegeben hat und sie einfach gegangen ist, aber dann sehe ich, dass sie sich Verlobungsringe anschaut. Nicht der geringste Ausdruck von Verachtung ist auf ihrem Gesicht zu erkennen, sie sieht sogar völlig entspannt und fast schon zufrieden aus. Trotz all der Ungerechtigkeit in der Welt kann meine Schwester also auch mal einen Augenblick lang zufrieden aussehen. Leise gehe ich zu ihr und höre, wie meine Schwester zu der Verkäuferin sagt, sie wolle sich nur ein wenig umschauen. Als sie sich umdreht, treffen sich unsere Blicke, und sie lächelt mich an. Dann gehen wir eine Etage höher, um uns das Silber anzusehen.
Ich suche für Tabitha zu Weihnachten einen Silberanhänger aus. Er kostet ungefähr siebzig Dollar. In dem Moment, in dem ich meine Kreditkarte aus dem Geldbeutel ziehe, wird aus meiner Schwester, die kurze Zeit eine unbekannte, schöne und stille Frau war, wieder die Schwester, die ich kenne.
„Eve, du bist so ungeheuer konsumgeil. Ich kann nicht glauben, dass du ein so teures Geschenk kaufst. Bitte gib niemals so viel Geld für mich aus – es sei denn, du spendest es für einen guten Zweck.“
„Ich werde niemals so viel Geld für dich ausgeben, Monica, keine Sorge.“ Tabithas Anhänger wird in eine Schachtel und dann in einen kleinen blauen Beutel eingepackt. Den Beutel werde ich für mich selbst behalten.
Wir beschließen, in die St. Patrick’s Kathedrale zu gehen. Das ist Monicas Idee, obwohl nicht ganz klar ist, warum. Denn sie fängt sofort damit an, Roseanne ihre Bedenken gegenüber der Katholische Kirche auseinander zu setzen. Trotzdem weiß sie angeblich die Schönheit des Gebäudes zu schätzen. Ich mag Kirchen nicht sonderlich, doch meine Großmutter hat uns an Weihnachten immer mit in die St. Patricks’s Kathedrale genommen. Sie gab uns Geld, um eine Kerze anzuzünden und ein Gebet zu sprechen. Früher kostete das ein paar Cents, mittlerweile muss man einen Dollar hinlegen. Ich setze mich auf eine Bank.
Ich glaube nicht, dass Gebete so funktionieren wie die Wünsche, die man beim Anblick einer Sternschnuppe hat. Ich glaube, dass man den Menschen ruhig erzählen darf, für was man betet. Ich meine, sagen die Leute nicht sowieso immerzu „ich werde für dich beten“ und so was (was ich niemals sagen würde)? Als ich
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