Manöver im Herbst
wollte endlich schlafen.
»Vater sitzt. Im Präsidium. Wegen Schwarzmarktgeschäften. Er wollte heute nacht eine komplette Feldküche verkungeln …«
»Eine Feldküche? Ja, ist der Mann denn noch zu retten?« Sie stieg aus dem Bett und steckte ihre Haare fest. »Kann man ihn besuchen?«
»Vor morgen 11 Uhr nicht.« Uta mußte plötzlich lachen. Ein Zucken lief um ihre Lippen, die Augen wurden klein, dann platzte sie los, setzte sich auf das Bett und lachte, lachte. Strafend sah Amelia auf Ihre Tochter hinab.
»Was gibt es da dumm zu lachen?« rief sie.
»Stell dir das doch bloß vor, Mama: Papa als Makler. Der korrekte Oberstleutnant schiebt eine Feldküche. Und fällt dabei auf. Und sitzt in einer Zelle. Mit strammer Haltung durch den Schwarzmarkt. Das ist doch urkomisch.«
»Du solltest lieber Mitleid mit deinem armen Vater haben, statt ihn zu verspotten. Er ist sicher das Opfer anderer. Er ist irregeleitet …«
Uta warf sich nach hinten auf das Bett. Ihre Burschikosität war von jeher ein erzieherischer Mangel, wie es Amelia vornehm nannte.
»Warten wir ab, bis der Irregeleitete zurückkommt. Dann wissen wir mehr …«
Nicht anders wurde es. Der Eintritt Heinrich Emanuels in die Wohnung, unrasiert, müde, mit völlig zerknittertem Anzug, war der Auftritt eines heimkehrenden, verlorenen Sohnes.
Nur kam er nicht arm und zerlumpt an, sondern freudig erregt und – soweit es die Müdigkeit zuließ – mit glänzenden Augen.
»Grüß euch Gott, alle miteinander –«, sagte er. Amelia stand wie eine Rachegöttin hinter dem Tisch. Sie lachte weder, noch war sie wütend. Sie war versteinert.
»Gut geschlafen, Herr Schieber?« fragte sie hart. Schütze sah hinüber zu Uta. Sie blinzelte ihm zu. Keine Sorge, Alter, hieß das. Die Mama spielt eine große Tragödinnenrolle.
»Der Lage entsprechend – zufriedenstellend.« Schütze verbeugte sich knapp, wie bei einem Kasinoabend mit Damen.
»Was macht die Feldküche?« fragte Amelia giftig.
»Danke der Nachfrage, Gnädigste. Es geht allen siebenundfünfzig gut.«
»Siebenundfünfzig?« Amelia wurde bleich. »Du bist betrunken Heinrich.«
»Nüchtern wie nie. In der Zelle gibt's keinen Habra-Schnaps. Ich habe siebenundfünfzig Feldküchen verkauft … genau genommen sechsundfünfzig … bei der letzten ging's leider schief.«
»Heinrich Emanuel«, sagte Amelia verwirrt. »Du bist ja ein Großschieber –«
»Gewesen. Mit der heutigen Nacht haben wir ein neues Leben geboren. Für uns zwei Alte hätte es vielleicht gereicht, was man so verdient. Aber die Kinder, Amelia … Giselher will doch noch studieren. Uta soll eine gute Aussteuer haben, und unser Fritz …« Er sah auf den Kleinen, der mit Holzklötzchen spielte … »Er soll einmal von all der Not nichts mehr wissen. Deshalb –«
Er griff in die Taschen seines Anzuges und packte die Geldscheinbündel auf den Tisch. Berge von Hundertmarkscheinen. Mehr, immer mehr … Amelia hielt sich an der Tischkante fest. Uta riß den schönen Mund auf. Heinrich Emanuel genoß diese Szene sichtlich.
»Heinrich Emanuel –«, stammelte Amelia.
»Genau 85.500 Mark.«
»Und … und das gehört alles dir …?«
»Uns, gnädige Frau. Man kann einen Schütze wohl in die Kniekehlen schlagen …, aber umfallen tut er nicht.« Er legte beide Hände auf die Geldscheine und sah seine Familie der Reihe nach an. »Damit beginnt unsere neue Zeit. Zweimal haben sie mir: Das Ganze halt! – geblasen. Und zum zweitenmal sage ich jetzt: Vorwärts marsch! – Die Schützes kommen wieder!«
Und sie kamen wieder.
Giselher-Wolfram gab seine Stellung als Wiege-Vorarbeiter in der Mehlmühle auf, Uta-Sieglinde besuchte eine Dolmetscherschule, Heinrich Emanuel aber gründete mit einem Teil seines Kapitals eine Textil-Handlungsgesellschaft. Er konnte diesen wagemutigen Schritt in einer Zeit, wo es kaum freie Textilien gab, sorglos wagen, weil drei Fabriken, die seine Feldküchen gekauft hatten, Wollstrümpfe, Pullover, Kleider und Mäntel herstellten.
Giselher immatrikulierte sich an der Medizinischen Fakultät. Sein großer Traum ging in Erfüllung. Zwar spät, mit siebenundzwanzig Jahren noch einmal von vorn anfangend. Aber er dachte nicht an die verlorenen Jahre, er stürzte sich in sein Studium, als verdurste er ohne die Alma mater.
Noch zweimal erschien die Kriminalpolizei bei Heinrich Emanuel und wollte wissen, woher er das Geld habe, eine Firma zu gründen.
»Durch eisernen Fleiß erspart«, antwortete er. »Wollen Sie mir
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