Manöver im Herbst
wollen mir weismachen, daß Sie –«
»Ich will gar nichts, Herr Kommissar. Sprechen Sie mit der Firma, die den Trecker stellte.«
»Haben wir bereits.«
»Sie werden mir recht geben müssen.«
»Keine Krähe hackt der anderen –«
»Wir wollen hier keine Volksweisheiten austauschen, Herr Kommissar. Ich bitte Sie, mir zu glauben, daß ich nur Transportleiter war. In der Ohio-Bar sollte ich dann berichten, daß die Feldküche wie verabredet, abtransportiert sei. Das war alles. Wenn Sie mir nachweisen können, daß ich die Küche verkauft habe – und Sie werden es nicht können –, beuge ich mich den Beweisen, auch wenn sie konstruiert sein müßten.«
Der Kommissar nahm ein Taschentuch aus der Seitentasche, putzte sich die Nase und sah dabei Schütze groß an.
»Man hätte wie Sie Taktiker werden sollen«, sagte er nach dem Nasenputzen. »Lassen Sie sich Ihre Sachen geben und hauen Sie ab. Glauben Sie aber nicht, daß damit alles erledigt ist. Wir werden Ihnen auf der Spur bleiben. Auch der beste Feldzugsplan kann durcheinander kommen.«
»Sicherlich. Das haben wir jetzt jahrelang erlebt.« Schütze erhob sich. »Kann ich gehen, Herr Kommissar?«
»Bis auf weiteres, Herr Oberstleutnant –«
Todmüde schlurfte Schütze aus dem Zimmer.
Kamerad Hauptmann staunte nicht schlecht, als Heinrich Emanuel Schütze in sein Büro kam. Er wähnte ihn längst in einer Zelle.
»Grüß Gott!« sagte Kamerad Hauptmann und hielt weit die Hand vor. »Sie sehen nicht gut aus, Kamerad …«
Schütze übersah die Hand. Er setzte sich auch nicht. Er blieb vor dem Schreibtisch stehen, sah an dem ›Geschäftspartner‹ vorbei und sagte laut:
»85.500 Mark!«
»Aber ja. Sie werden einen Scheck bekommen …«
»In bar!«
»Außerdem gehen 1.500 Mark ab, denn die letzte Küche wurde ja gefaßt.«
»Aber leider bin ich wieder hier.« Schütze stützte die Fäuste auf den Schreibtisch. »Ihr Brief war erfolglos …«
»Welcher Brief, Kamerad?« Der Hauptmann wurde verlegen.
»Lassen Sie das dämliche ›Kamerad‹ weg!« schrie Schütze. »Ich glaube, ich brauche nicht deutlicher zu werden. Sie zahlen mir sofort, sofort , die 85.500 Mark aus, oder –«
»Oder?«
»Ich kann auch Briefe schreiben!«
Der Geschäftsführer verhandelte nicht weiter. Er griff in eine Schublade und warf einen Packen Geldscheine auf den Schreibtisch. Dann zählte er … lauter Hunderter … und schob sie Schütze zu.
»Hier. 85.000.«
»Es fehlen 500.«
»Bitte.« Mit bleichem Gesicht warf der Hauptmann die restlichen fünf Scheine auf den Haufen. »Damit dürften unsere Geschäftsinteressen für immer erledigt sein.«
»Bestimmt – Herr Kamerad!«
Schütze steckte die Scheine in seine Rocktasche, als seien es alte Papierfetzen. Ohne weitere Worte ging er zur Tür, ihn ekelte plötzlich alles an. Die Wände des Zimmers, der Mann hinter ihm, die Zeit, in der er lebte, ja, er empfand sogar Ekel vor sich selbst.
An der Tür wandte er sich noch einmal um. Hauptmann blickte ihm nach, als habe er einen Mord im Gehirn.
»Schwein!« sagte Heinrich Emanuel laut.
Dann erst ging er.
Die Familie Schütze war in heller Aufregung.
Das Verschwinden Heinrich Emanuels hatte Amelia so tief getroffen, daß sie nicht fähig war, irgend etwas zu unternehmen. So lief Uta zum Polizeirevier und machte eine Anzeige. Der wachhabende Polizist sah das blonde Mädchen wohlgefällig an. Es war hochgewachsen und schlank.
»Wird sich einen getrunken haben«, sagte er tröstend. »Warten wir ab bis morgen.«
»Mein Vater trinkt nicht. Er ist noch nie weggeblieben, ohne zu sagen, wo man ihn finden könnte.«
»Na, einmal muß er damit ja anfangen.« Der Polizist lächelte breit. »Aber daß er eine Tochter wie Sie allein läßt, das ist wirklich unverzeihlich.«
Immerhin erreichte Uta, daß man eine Vermißtenmeldung – mit Fragezeichen – an das Polizeipräsidium weitergab. Dort sah man routinemäßig die Einlieferungen der vergangenen Nacht durch und fand auch den Namen Schütze.
Amelia lag wach im Bett und hatte den kleinen Fritz zu sich genommen, als Uta zurückkam.
»Nun?« fragte sie. »Hast … hast du etwas erfahren?«
»Ja.« Uta zog ihren Mantel aus und warf ihn über das Bett. Ihre langen, blonden Locken klebten am Kopf. Draußen hatte es zu regnen begonnen. »Vater sitzt –«
Amelia schoß im Bett empor. Kerzengerade saß sie in den Kissen. »Sag das noch einmal!« rief sie. Der kleine Fritz neben ihr begann zu greinen. Er war müde und
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