Mantel, Hilary
Stallungen. Besorge Musikanten. Das letzte Mal habe ich auf
der Durchreise ein paar Schweineställe an den Palastmauern bemerkt. Finde heraus,
wem sie gehören, zahl den Mann aus und lass sie abreißen. Trink nicht im Crown;
das Ale ist schlimmer als das meines Vaters.
Richard sagt: »Sir ... es ist
Zeit, den Kardinal loszulassen.«
»Es ist ein taktischer
Rückzug, keine Niederlage.«
Sie glauben, er ist weg, aber
er ist nur in ein Hinterzimmer gegangen. Er lungert bei den Akten herum. Er
hört Richard sagen: »Er lässt sich von seinem Herzen leiten.«
»Es ist ein erfahrenes Herz.«
»Aber kann ein General einen
Rückzug organisieren, wenn er nicht weiß, wo der Feind steht? Der König verhält
sich so zweideutig in dieser Sache.«
»Der Rückzug könnte direkt in
seine Arme führen.«
»Jesus Christus. Glaubst du
etwa, unser Herr ist auch zweideutig?«
»Mindestens dreideutig«, sagt
Rafe. »Pass auf, er kann keinen Gewinn daraus ziehen, wenn er den alten Mann
im Stich lässt - das bringt ihm nur den Ruf ein, ein Abtrünniger zu sein. Aber
vielleicht ist durch die Treue etwas zu gewinnen. Für uns alle.«
»Dann mach dich mal auf den
Weg, Schweineknecht. Wer außer ihm würde an die Schweineställe denken? Thomas
More zum Beispiel würde das nie einfallen.«
»Nur, wenn er den
Schweinehirten ermahnt: Ostern nahet, mein guter Mann ...«
»... seid Ihr gerüstet, die
Heilige Kommunion zu empfangen?« Rafe lacht. »Wie ist es, Richard, seid Ihr
gerüstet?«
Richard sagt: »Ich kann jeden
Tag in der Woche ein Stück Brot bekommen.«
Während der Karwoche kommen
Berichte aus Peterborough: Es sind mehr Menschen herbeigeströmt, um Wolsey zu
sehen, als seit Menschengedenken in dieser Stadt gewesen sind. Er folgt dem
Kardinal nach Norden auf der Karte von Inseln, die er im Kopf hat. Stamford,
Grantham, Newark; der reisende Hof trifft am 28. April in Southwell ein. Er,
Cromwell, schreibt dem Kardinal, um ihn zu beruhigen, um ihn zu warnen. Er
fürchtet, dass die Boleyns oder Norfolk oder beide einen Weg gefunden haben,
einen Spion in das Gefolge des Kardinals zu schleusen.
Als Botschafter Chapuys aus
einer Audienz mit dem König geeilt kam, hatte er seinen Ärmel berührt und ihn
zur Seite gezogen. »Monsieur Cremuel, ich habe daran gedacht, Sie zu Hause zu
besuchen. Wir sind Nachbarn, wissen Sie.«
»Es würde mich sehr freuen,
Sie dort zu begrüßen.«
»Aber die Leute sagen mir,
dass Sie inzwischen oft beim König sind, was angenehm ist, nicht wahr? Was
Ihren früheren Herrn betrifft, so höre ich jede Woche von ihm. Er ist in
letzter Zeit sehr besorgt um die Gesundheit der Königin. Er fragt, ob sie guten
Mutes ist, und bittet sie zu bedenken, dass sie bald an den Busen des Königs
zurückkehren wird. Und in sein Bett.« Chapuys lächelt. Es macht ihm Spaß. »Die
Konkubine wird dem Kardinal nicht helfen. Wir wissen, dass Sie es vergeblich
bei ihr versucht haben. Deshalb wendet er sich jetzt wieder an die Königin.«
Er ist gezwungen zu fragen:
»Und was sagt die Königin?«
»Sie sagt: Ich hoffe, dass
Gott in seiner Gnade eine Möglichkeit findet, dem Kardinal zu vergeben, denn
ich werde es nie können.« Chapuys wartet. Er selbst sagt nichts. Der
Botschafter fährt fort: »Ich vermute, Sie sind sich bewusst, welch ruinöses
Durcheinander zurückbleiben wird, wenn diese Scheidung bewilligt wird, oder
sollen wir sagen: Seiner Heiligkeit auf irgendeine Weise abgepresst wird? Der
Kaiser könnte zur Verteidigung seiner Tante Krieg gegen England führen. Ihre
Kaufmannsfreunde würden ihre Existenzgrundlage verlieren und viele auch das Leben.
Ihr Tudor-König könnte untergehen und der alte Adel könnte sich behaupten.«
»Warum erzählen Sie mir das?«
»Ich erzähle es allen
Engländern.«
»Gehen Sie von Haustür zu
Haustür?«
Offenbar soll er dem Kardinal
eine Botschaft übermitteln: dass er keinen Kredit mehr beim Kaiser hat. Kann
das etwas anderes bewirken, als ihn dazu zu treiben, an den französischen König
zu appellieren? So oder so, in beiden Richtungen lauert der Hochverrat.
Er stellt sich den Kardinal
bei den Kanonikern in Southwell vor; er sitzt auf seinem Stuhl im Kapitelsaal
und präsidiert unter dem hohen Gewölbe wie ein unbefangener Prinz auf einer
Waldlichtung, umkränzt von in Stein gemeißelten Blättern und Blumen. Sie sind
so plastisch, dass es scheint, als bewegten sich die Säulen und die Rippen und
als wäre der Stein zu blühendem Leben erwacht. Die Kapitelle sind
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