Mantel, Hilary
seine Zeit mit Gebeten zu füllen.
Es gibt ein paar Mönche in Richmond, deren Gesellschaft er sucht; sie haben
ihm den Wert des Doms im Fleische und des Salzes in der Wunde, die Vorzüge von
Wasser und Brot und die düsteren Freuden der Selbstgeißelung nahegebracht. »Oh,
damit ist die Sache erledigt«, sagt er verärgert. »Wir müssen dafür sorgen,
dass er sich aufmacht. In Yorkshire würde es ihm besser gehen.«
Er sagt zu Norfolk: »Nun,
Mylord, wie hätten Sie es gerne? Möchten Sie nun, dass er geht, oder nicht? Ja?
Dann kommen Sie mit mir zum König.«
Norfolk grunzt. Botschaften
werden geschickt. Einen oder zwei Tage später finden sie sich beide in einem
Vorzimmer wieder. Sie warten. Norfolk läuft auf und ab. »Oh, beim heiligen
Judas!«, sagt der Herzog. »Sollen wir frische Luft schnappen? Oder braucht ihr
Anwälte das nicht?«
Sie spazieren durch die
Gärten, oder vielmehr er spaziert, der Herzog trampelt. »Wann kommen die
Blumen raus?«, sagt der Herzog. »Als ich klein war, hatten wir keine Blumen.
Es war Buckingham, wissen Sie, der diesen Quatsch mit angelegten Blumengärten
eingeführt hat. Oh Mann, war das übertrieben!«
Dem Herzog von Buckingham,
einem passionierten Gärtner, wurde wegen Hochverrats der Kopf abgeschlagen. Das
war 1521: vor weniger als zehn Jahren. Es ist zu traurig, das jetzt zu erwähnen,
in der Anwesenheit des Frühlings: Gesang aus jedem Busch, auf jedem Zweig.
Eine Aufforderung wird
gebracht. Auf dem Weg zu ihrer Audienz scheut der Herzog und sträubt sich; er
rollt mit den Augen und bläht die Nüstern, sein Atem wird kurz. Als der Herzog
ihm eine Hand auf die Schulter legt, ist er gezwungen, seinen Schritt zu
verlangsamen, und sie schlurfen - er widersteht dem Impuls, voranzurennen - wie
zwei müde Kriegsveteranen dahin. Scaramella va alla guerra ... Norfolks Hand zittert.
Erst als sie vor dem König
stehen, versteht er voll und ganz, wie heftig es den alten Herzog aufwühlt, in
einem Raum mit Henry Tudor zu sein. Die vergoldete Überschwänglichkeit lässt
ihn in seinen Kleidern schrumpfen. Henry begrüßt sie herzlich. Er sagt, es sei
ein wunderbarer Tag und mehr oder weniger eine wunderbare Welt. Er trudelt mit
ausgebreiteten Armen durch den Raum und rezitiert Verse, die er selbst verfasst
hat. Er spricht über alles, nur nicht über den Kardinal. Vor lauter
Enttäuschung läuft der Herzog dunkelrot an und beginnt vor sich hin zu murmeln.
Sie werden entlassen und gehen rückwärts aus dem Raum. Henry ruft: »Ach,
Cromwell...«
Er und der Herzog wechseln
einen Blick. »Bei allen Heiligen ...«, murmelt der Herzog.
Mit der Hand hinter seinem
Rücken macht er ein Zeichen: Gehen Sie, Mylord Norfolk, ich treffe Sie später.
Henry steht mit verschränkten
Armen da, die Augen auf den Boden geheftet. Er sagt nichts, bis er, Cromwell,
nähergetreten ist. »Tausend Pfund?«, flüstert Henry.
Es liegt ihm auf der Zunge zu
sagen: Das ist ein guter Anfang, denn meines Wissens und Glaubens sind es
zehntausend, die Sie dem Kardinal von York seit inzwischen einem Jahrzehnt
schulden.
Er sagt es natürlich nicht. In
solchen Momenten erwartet Henry, dass man auf die Knie fällt - Herzog, Graf,
einfacher Mann, leicht oder schwer, alt oder jung. Er tut es, wobei altes
Narbengewebe spannt; nur wenige von uns tragen keine Verletzung, wenn wir über
vierzig sind.
Der König gibt ein Zeichen:
Sie dürfen aufstehen. In neugierigem Tonfall fügt er hinzu: »Der Herzog von
Norfolk erweist Ihnen viele Zeichen der Freundschaft und des Wohlwollens.«
Die Hand auf der Schulter,
meint er: das winzige und unerwartete Zittern der herzoglichen Handfläche an
plebejischen Muskeln und Knochen. »Der Herzog ist darauf bedacht, alle
Rangunterschiede zu wahren.« Henry scheint erleichtert.
Ein unwillkommener Gedanke
kommt ihm in den Sinn: Was passiert, wenn du, Henry Tudor, krank würdest und
mir vor die Füße fielest? Wäre es mir erlaubt, dir aufzuhelfen, oder müsste
ich erst nach einem Grafen schicken? Oder einem Bischof? Henry geht. Er dreht
sich um und sagt kleinlaut: »Jeden Tag vermisse ich den Kardinal von York.«
Eine Pause tritt ein. Er flüstert: Nehmen Sie das Geld mit unserem Segen. Sagen
Sie es nicht dem Herzog. Sagen Sie es niemandem. Bitten Sie Ihren Herrn, für
mich zu beten. Sagen Sie ihm, es ist alles, was ich tun kann.
Der Dank, den er ausspricht,
immer noch auf den Knien, ist wortreich und überschwänglich. Henry sieht ihn
düster an: Guter Gott, Master Cromwell,
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