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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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den
Zeigefinger aus: »Seht, da werden seine Eingeweide rausgeholt, wie der Henker
sie rausziehen würde! Wirklich, ich würde dafür zahlen, um das zu sehen!«
    Jemand ruft: »Schämen Sie
sich, Thomas Howard, Sie hätten sogar Ihre eigene Seele verkauft, nur um Wolsey
fallen zu sehen!« Köpfe drehen sich, auch sein Kopf, und keiner weiß, wer
gesprochen hat; aber er glaubt, es könnte — kann das sein? — Thomas Wyatt
gewesen sein. Die adligen Teufel haben sich ausgetobt und bekommen wieder Luft.
Sie rufen »Jetzt!« und schlagen zu; der Kardinal wird in die Hölle gezerrt, die
sich hinter den Leinwänden im hinteren Teil der Halle befindet, wie es scheint.
    Er folgt ihnen hinter die
Kulissen. Pagen kommen mit Leinenhandtüchern für die Schauspieler angerannt,
aber der satanische Ansturm stößt sie zur Seite. Mindestens eines der Kinder
bekommt einen Ellenbogen ins Auge, und die Schüssel mit dampfendem Wasser
fällt ihm auf die Füße. Er sieht, wie die Teufel sich die Masken herunterreißen
und sie fluchend in eine Ecke werfen; er sieht zu, wie sie versuchen, sich aus
ihren gestrickten Teufelsgewändern zu klauben. Sie stellen sich voreinander
und ziehen sie sich gegenseitig über den Kopf. »Es ist wie das Nessoshemd«,
sagt George Boleyn, als Norris ihn mit einem Reißen davon befreit.
    George wirft den Kopf herum,
damit seine Haare wieder sitzen; seine weiße Haut lodert rot durch den Kontakt
mit der rauen Wolle. George und Henry Norris sind die Handteufel, die den
Kardinal bei den Vorderpfoten gepackt haben. Die zwei Fußteufel sind immer noch
dabei, sich gegenseitig aus den Kostümen zu zerren. Es sind ein Junge namens Francis
Weston und William Brereton, der — genau wie Norris - alt genug ist, um es
besser zu wissen. Sie sind so mit sich selbst beschäftigt - sie fluchen,
lachen, rufen nach frischer Wäsche —, dass sie nicht merken, wer sie
beobachtet, aber es ist ihnen ohnehin egal. Sie bespritzen sich selbst und die
anderen mit Wasser, sie reiben sich den Schweiß mit Handtüchern ab, sie reißen
den Pagen die Hemden aus den Händen, sie ziehen sich die Hemden über die Köpfe.
Immer noch ihre Pferdefüße tragend, stolzieren sie hinaus, um sich zu
verbeugen.
    In der Mitte der Szene, die
sie verlassen haben, liegt bewegungslos der Kardinal; er ist von der Halle
durch die Leinwände abgeschirmt; vielleicht schläft er.
    Er geht auf den scharlachroten
Haufen zu. Er bleibt stehen. Er sieht hinunter. Er wartet. Der Schauspieler
macht ein Auge auf. »Das hier muss die Hölle sein«, sagt er. »Das muss die
Hölle sein, wenn der Italiener da ist.«
    Der tote Mann zieht sich die
Maske ab. Es ist Sexton, der Narr: Master Patch. Master Patch, der so laut
geschrien hat vor einem Jahr, als sie ihn von seinem Herrn trennen wollten.
    Patch streckt eine Hand aus,
damit er ihm hilft, auf die Füße zu kommen, aber er nimmt sie nicht. Der Mann
rappelt sich selbst hoch, flucht dabei. Er beginnt, sich das Scharlachrot
herunterzuziehen, er zerrt und reißt an dem Stoff. Er, Cromwell, steht mit
verschränkten Armen da, seine Schreibhand ist versteckt zur Faust geballt. Der
Narr wirft seine Polsterung ab, dicke Wollkissen. Sein Körper ist mager, ausgemergelt,
seine Brust trägt einen Pelz aus borstigen Haaren. Er spricht: »Warum du kommen
in mein Land, Italiener. Warum du nicht bleiben in eigenes Land?«
    Sexton ist ein Narr, aber er
ist nicht schwach im Kopf. Er weiß sehr gut, dass er kein Italiener ist.
    »Sie hätten da drüben bleiben
sollen«, sagt Patch in seiner eigenen Londoner Stimme. »Dann hätten Sie jetzt
Ihre eigene, von Mauern umgebene Stadt. Sie hätten eine Kathedrale. Sie hätten
Ihren eigenen Kardinal aus Marzipan, den Sie nach dem Essen verspeisen könnten.
All das für ein oder zwei Jahre, bis ein noch größerer Rohling kommt und Sie
vom Futtertrog verdrängt.«
    Er hebt das Kostüm auf, das
Patch abgeworfen hat. Sein Rot ist das feurige, billige, schnell verblassende
Scharlach, für das Brasilholz als Farbstoffbenutzt wird, und es riecht nach
fremdem Schweiß. »Wie können Sie diese Rolle spielen?«
    »Ich spiele die Rolle, für die
man mich bezahlt. Und Sie?« Er lacht: sein schrilles Bellen, das als verrückt
durchgeht. »Kein Wunder, dass Ihr Humor dieser Tage so bitter ist. Keiner zahlt
Sie, was? Monsieur Cremuel, der Söldner im Ruhestand.«
    »Nicht wirklich im Ruhestand.
Ich kann Sie erledigen.«
    »Mit dem Dolch, den Sie da
tragen, wo früher einmal Ihre Taille war.« Patch springt

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