Mantel, Hilary
den Glühofen zu machen,
und wenn Walter ruft: Wo ist der Scheißkübel zum Abschrecken, dann ist er nicht
da. Mit einem üblen Schlingern im Magen erinnerte er sich daran, was er nicht
getan hatte und warum er getötet werden sollte. Er schrie beinahe auf. Als hätte
er Schmerzen.
Er sah jetzt, dass die Männer
und Frauen nicht beteten. Sie waren auf Händen und Knien. Es waren Freunde der
Lollardin, und sie kratzten sie auf. Eine der Frauen kniete mit ausgebreiteten
Röcken und hielt ein Gefäß aus Ton. Seine Augen waren selbst in der Düsterheit
scharf, und aus dem Schlamm und Dreck hob er einen Knochensplitter auf. Hier
ist was, sagte er. Die Frau hielt ihm das Gefäß hin. Hier ist noch was.
Einer der Männer stand allein
in einiger Entfernung. Warum hilft er uns nicht?, sagte er.
Er passt auf. Er pfeift, wenn
die Beamten kommen.
Nehmen sie uns fest?
Schnell, schnell, sagte ein
anderer Mann.
Als die Schüssel gefüllt war,
sagte die Frau, die sie hielt: »Gib mir deine Hand.«
Vertrauensvoll hielt er sie
hin. Sie tauchte die Finger in die Schüssel. Sie schmierte eine Mischung aus
Matsch und Sand, Fett und Asche auf seinen Handrücken. »Joan Boughton«, sagte
sie.
Jetzt, als er daran
zurückdenkt, wundert er sich über seine eigene unzulängliche Erinnerung. Er
hat die Frau nie vergessen, deren letzte Reste er als fettigen Fleck auf
seiner Haut davontrug, aber wie kommt es, dass bei seinem Leben als Kind ein
Teil nicht zum anderen zu passen scheint? Er kann sich nicht daran erinnern,
wie er wieder nach Hause kam und was Walter machte, statt ihn scheibchenweise
zu töten, oder warum er überhaupt weggelaufen war, ohne die Sole zu machen.
Vielleicht, denkt er, habe ich das Salz verschüttet und hatte zu viel Angst,
ihm das zu sagen. Das scheint plausibel. Eine Angst führt zu einer Unterlassung,
das Vergehen löst eine größere Angst aus, und es kommt der Punkt, an dem die
Angst zu groß ist und der menschliche Geist einfach aufgibt, ein Kind verwirrt
und ziellos wegläuft und schließlich einer Menge folgt und sieht, wie jemand
umgebracht wird.
Er hat diese Geschichte nie
jemandem erzählt. Es macht ihm nichts aus, mit Richard, mit Rafe über seine
Vergangenheit zu sprechen - in einem vernünftigen Rahmen -, aber er hat nicht
die Absicht, sich Stück für Stück zu offenbaren. Chapuys kommt sehr häufig zum
Abendessen, sitzt neben ihm und entlockt ihm so geschickt Fragmente seiner Lebensgeschichte,
wie er das zarte Fleisch vom Knochen löst.
Manche Leute sagen, Ihr Vater
war Ire, sagt Eustache. Dann wartet er in aller Ruhe ab.
Das höre ich zum ersten Mal,
sagt er, aber ich versichere Ihnen, dass er ein Rätsel war, auch für sich
selbst. Chapuys zieht die Luft ein; die Iren sind ein sehr gewalttätiges Volk,
sagt er. »Sagen Sie mir, ist es wahr, dass Sie England mit fünfzehn verlassen
haben, nachdem Sie aus dem Gefängnis geflüchtet sind?«
»Aber sicher doch«, sagt er.
»Ein Engel hat meine Ketten gelöst.«
Das liefert Chapuys etwas, das
er nach Hause schreiben kann. »Ich habe Cremuel mit der Behauptung
konfrontiert, und er hat eine blasphemische Antwort gegeben, die für Ihr kaiserliches
Ohr nicht geeignet ist.« Chapuys ist nie verlegen um Sachen, die er in seine
Berichte aufnehmen kann. Wenn es wenig Neuigkeiten gibt, schickt er den
Klatsch. Es gibt den Klatsch, den er bei fragwürdigen Quellen aufschnappt, und
den Klatsch, den er, Cromwell, ihm absichtlich zuspielt. Da Chapuys nicht
Englisch spricht, bekommt er seine Nachrichten auf Französisch von Thomas More,
auf Italienisch von dem Kaufmann Antonio Bonvisi, und auf Gott weiß was -
Latein? - von Stokesley, dem Bischof von London, dessen Tafel er ebenfalls
beehrt. Bei seinem Herrn, dem Kaiser, geht Chapuys mit der Idee hausieren, das
englische Volk sei so unzufrieden mit seinem König, dass die Ermutigung durch
ein paar spanische Truppen genügen würde, um eine Revolte zu entfachen. Chapuys
täuscht sich natürlich gewaltig. Die Engländer mögen auf Königin Katherines
Seite stehen - im Großen und Ganzen sieht es so aus. Sie mögen die kürzlich vom
Parlament ergriffenen Maßnahmen ablehnen oder gar nicht verstehen. Aber sein
Instinkt sagt ihm, dass sie sich gegen eine Einmischung von außen
zusammenschließen werden. Sie mögen Katherine, weil sie vergessen haben, dass
sie Spanierin ist, sie ist ja schon so lange hier. Aber es ist dasselbe Volk,
das am Evil May Day gegen Ausländer rebelliert hat, dasselbe
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