Mantel, Hilary
Vertrag liegt in der Luft. Francois hat eine
Schar Kardinäle, die uns vielleicht ihre Stimme in Rom leihen werden.«
Hugh schnaubt. »Immer noch
diese Verneigung vor Rom.«
»So muss es sein.«
»Wir werden Henry auf unsere
Seite bringen. Wir werden ihn zum Evangelium bringen.«
»Vielleicht. Aber nicht
plötzlich. Nach und nach.«
»Ich werde Bischof Stokesley
um die Erlaubnis bitten, unseren Bruder Bainham zu besuchen. Kommen Sie mit?«
Bainham ist der Rechtsanwalt,
der letztes Jahr von More verhaftet und gefoltert wurde. Kurz vor Weihnachten
kam er vor den Bischof von London. Er schwor ab und war im Februar frei. Er ist
ein normaler Mensch; er wollte leben, wie nicht? Aber sobald er frei war, ließ
ihn sein Gewissen nicht mehr schlafen. Eines Sonntags ging er in eine volle
Kirche, stellte sich vor die Leute und legte mit Tyndales Bibel in der Hand ein
Bekenntnis seines Glaubens ab. Jetzt ist er im Tower und wartet darauf, das
Datum seiner Hinrichtung zu erfahren.
»Nun?«, sagt Latimer. »Kommen
Sie mit oder kommen Sie nicht mit?«
»Ich sollte dem Lordkanzler
lieber keine Munition liefern.«
Ich könnte versuchen, Bainhams
Entschlossenheit zu untergraben, denkt er. Könnte zu ihm sagen: Glaub irgendwas,
Bruder, beschwöre es und kreuze dabei die Finger hinter dem Rücken. Aber
andererseits ist es mehr oder weniger gleichgültig, was Bainham jetzt sagt.
Gnade wird für ihn nicht zu erwirken sein, er muss brennen.
Hugh Latimer eilt davon. Die
Gnade Gottes wirkt für Hugh. Der Herr geht mit ihm, steigt mit ihm in ein Boot
und geht im Schatten des Towers von Bord; und weil das so ist, wird Thomas
Cromwell nicht gebraucht.
More sagt, es macht nichts,
wenn man Ketzer anlügt oder sie täuscht, sodass sie gestehen. Sie haben kein
Recht zu schweigen, selbst wenn sie wissen, dass ihre Aussage sie belastet;
wenn sie nicht reden wollen, dann muss man ihnen die Finger brechen, sie mit
heißen Eisen verbrennen, sie an den Handgelenken aufhängen. Es ist legitim - und
More geht sogar noch weiter -, es ist gesegnet.
Es gibt eine Gruppe aus dem
Unterhaus, die in einer Schenke namens Queens Head regelmäßig mit Priestern zu
Abend isst. Von ihnen kommt die Kunde und verbreitet sich unter den Bewohnern
Londons, dass alle, die die Scheidung des Königs unterstützen, verdammt werden.
So treu ergeben ist Gott der Sache dieser Abgeordneten, heißt es, dass ein
Engel mit einer Schriftrolle an den Sitzungen des Parlaments teilnimmt,
aufschreibt, wer seine Stimme abgibt und wofür er stimmt, und einen rußigen
Fleck neben den Namen all jener macht, die Henry mehr fürchten als den
Allmächtigen.
In Greenwich hält ein Mönch
namens William Peto, Oberhaupt seines Zweigs des Franziskanerordens in
England, eine Predigt vor dem König, in der er die Geschichte und das Beispiel
des unglücklichen Ahab aufnimmt, des siebten Königs von Israel, der in einem
Palast aus Elfenbein lebte. Unter dem Einfluss der bösen Isebel baute er einen
heidnischen Tempel und gab den Priestern Baals Plätze in seinem Gefolge. Der
Prophet Elija sagte zu Ahab, dass die Hunde sein Blut auflecken würden, und so
geschah es auch, was nicht weiter verwundert, weil man sich ja nur an die
erfolgreichen Propheten erinnert. Die Hunde von Samaria leckten Ahabs Blut auf.
Alle seine männlichen Erben kamen um. Sie lagen unbegraben auf den Straßen.
Isebel wurde aus einem Fenster ihres Palasts geworfen. Wilde Hunde zerfetzten
ihren Körper.
Anne sagt: »Ich bin Isebel.
Sie, Thomas Cromwell, sind die Priester Baals.« Ihre Augen leuchten. »Weil ich
eine Frau bin, bin ich der Weg, auf dem die Sünde in diese Welt kommt. Ich bin
das Einfallstor des Teufels, die fluchbeladene Pforte. Ich bin Mittel zum
Zweck, durch mich greift Satan den Mann an, denn anders hätte er nicht den Mut
dazu. So sehen es jedenfalls diese Leute. Meine Meinung ist, dass es zu viele
Priester mit unzureichender Bildung und noch weniger Beschäftigung gibt. Und
ich wünschte, der Papst und der Kaiser und alle Spanier würden im Meer
ertrinken. Und wenn jemand aus einem Palastfenster geworfen wird ... alors, Thomas, ich weiß genau, wen
ich gerne hinauswerfen würde. Nur dass die wilden Hunde an dem Kind Mary keinen
Fetzen Fleisch zum Abnagen finden würden und dass Katherine so fett ist, dass
sie zurückprallen würde.«
Als Thomas Avery nach Hause
kommt, setzt er die Reisekiste mit all seinen Habseligkeiten auf den
Steinplatten ab und erhebt sich mit ausgebreiteten Armen, um wie ein
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