Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
Vom Netzwerk:
Brokatgewand trägt.
    »Alles war außerordentlich
beeindruckend, Cremuel«, sagt de Selve; scharfsinnige braune Augen mustern ihn,
nehmen alles wahr. Auch er nimmt alles wahr: Nähte und Polster, Besatz und
Färbung; er bewundert den tiefen Maulbeerton des bischöflichen Brokats. Es
heißt, diese beiden Franzosen befürworten das Evangelium, aber das reicht an
Francois' Hof nicht weiter als bis zu einem kleinen Kreis von Gelehrten, den
zu unterstützen dem französischen König aus persönlicher Eitelkeit gefällt; es
ist ihm niemals ganz gelungen, seinen eigenen Thomas More, seinen eigenen
Erasmus heranzuziehen, und das kränkt seinen Stolz.
    »Sehen Sie auf meine Frau, die
Königin.« Henry beugt sich über die Galerie. Er könnte ebenso gut unten sein.
»Sie ist das Schauspiel wert, nicht wahr?«
    »Ich habe alle Fenster neu
verglasen lassen«, sagt er. »Damit man sie besser sieht.«
    »Fiat lux«, murmelt de Selve.
    »Sie hat es sehr gut gemacht«,
sagt de Dinteville. »Sie muss heute Stunden auf den Beinen gewesen sein. Man
kann Eurer Majestät nur dazu gratulieren, eine Königin bekommen zu haben, die
so stark ist wie eine Bauersfrau. Das soll natürlich nicht respektlos sein.«
    In Paris werden Lutheraner
verbrannt. Er würde das gerne mit den Gesandten erörtern, aber das kann er
nicht, solange der Geruch von geröstetem Schwan und Pfau nach oben steigt.
    »Messieurs«, sagt er (um sie
herum erhebt sich Musik wie eine seichte Flut, Silberwellen des Klangs),
»kennen Sie den Mann Giulio Camillo? Ich höre, dass er am Hofe Ihres Herrn
ist.«
    De Selve und sein Freund
tauschen Blicke aus. Das hat sie umgeworfen. »Der Mann, der die Holzkiste
baut«, murmelt Jean. »Oh ja.«
    »Es ist ein Theater«, sagt er.
    De Selve nickt. »In dem Sie
selbst das Stück sind.«
    »Erasmus hat uns davon
geschrieben.« Henry spricht über seine Schulter. »Er lässt die Schreiner kleine
Holzregale und Schubladen machen, von denen eine in der anderen steckt. Es ist
ein Erinnerungssystem für die Reden von Cicero.«
    »Mit Ihrer Erlaubnis, er
beabsichtigt mehr als das«, sagt er. »Es ist ein Theater nach dem alten
vitruvianischen Plan. Aber es ist nicht dafür da, Stücke aufzuführen. Wie
Mylord Bischof sagt, stehen Sie in seinem Zentrum. Um sie herum ist ein System
des menschlichen Wissens aufgereiht. Wie eine Bibliothek, aber als wäre ...
können Sie sich eine Bibliothek vorstellen, in der jedes Buch ein anderes Buch
enthält und darin steckt wieder ein kleineres Buch? Und doch ist es mehr als
das.«
    Der König steckt sich ein
Stück Aniskonfekt in den Mund und zerbeißt es. »Es gibt schon jetzt zu viele
Bücher auf der Welt. Jeden Tag werden es mehr. Ein einziger Mann kann sie
unmöglich alle lesen.«
    »Ich verstehe gar nicht, wieso
Sie so viel davon wissen«, sagt de Selve. »Meine Anerkennung, Maitre Cremuel.
Giulio spricht nur seinen italienischen Dialekt, und selbst in dem stammelt
er.«
    »Wenn es Ihrem Herrn gefällt,
dafür sein Geld auszugeben«, sagt Henry. »Er ist aber kein Hexenmeister, dieser
Giulio, oder? Ich möchte nicht, dass Francois einem Hexenmeister in die Hände
fällt. Übrigens, Cromwell, ich schicke Stephen wieder nach Frankreich.«
    Stephen Gardiner. Als o
verhandeln die Franzosen nicht gerne mit Norferk. Nicht weiter überraschend.
»Wird seine Mission von längerer Dauer sein?«
    De Selve fängt seinen Blick
auf. »Aber wer wird die Arbeit des Ersten Sekretärs machen?«
    »Ach, das macht Cromwell. Sie
machen das doch?« Henry lächelt.
    Kaum ist er unten in der Halle
angelangt, wird er schon von Master Wriothesley abgefangen. Dies ist ein großer
Tag für die Herolde und die Siegelbeamten, ihre Kinder und ihre Freunde;
saftige Honorare kommen auf sie zu. Das sagt er, und Nenn-mich sagt: Saftige
Honorare kommen auf Sie zu. Vorsichtig schiebt sich Wriothesley an die
Trennwände und spricht leise; das war vorauszusehen, sagt er, weil Henry sie
nämlich satt hat, Winchesters zermürbende Opposition auf jedem Schritt des Weges.
Er hat die Streitereien satt, und jetzt als verheirateter Mann strebt er nach
ein wenig mehr douceur. Mit Anne?, sagt er, und Nennt-mich lacht: Sie kennen sie besser als
ich; wenn sie wirklich eine Dame mit einer so scharfen Zunge ist, wie man sagt,
ist sein Bedürfnis nach Ministern, die freundlich zu ihm sind, umso größer. Als
o sorgen Sie dafür, dass Stephen im Ausland bleibt, und zu gegebener Zeit wird
er Sie auf dem Posten bestätigen.
    Christophe, fein gemacht

Weitere Kostenlose Bücher